
Chaucer's Comic Providence
Chaucers Komische Vorsehung präsentiert Lesarten von fünf der Canterbury Tales von Chaucer, die die sexuelle Trennung und den Mangel an Beziehung zwischen den Geschlechtern dramatisieren. Diese Lesarten basieren auf dem psychoanalytischen Denken von Jacques Lacan in seiner Neuinterpretation von Freud und sind von Thormanns Überzeugung motiviert, dass Chaucer das verstanden hat, was die Psychoanalyse später als ein Unbewusstes im Subjekt untersuchen sollte, das unabhängig von bewusster Kontrolle und Begehren ist. Für die Psychoanalyse ist das Subjekt unaufhörlich mit der unbewussten sexuellen Differenz und mit dem beschäftigt, was Lacan als Abwesenheit von sexuellem Kontakt ansah. Chaucers Komische Vorsehung analysiert Chaucers Handlungen mit sexuellen Abenteuern, Missgeschicken und Überraschungen, um zu zeigen, wie die fünf Erzählungen den Mangel an Symmetrie und die fehlende Übereinstimmung zwischen den Geschlechtern dramatisieren.
Letztlich geht es Thormann um die Art und Weise, wie diese fünf Erzählungen die sexuelle Spaltung darstellen und mit ihr umgehen, wie sie mit dem umgehen, was ohnehin nicht vermieden oder bewältigt werden kann. Die Auflösungen der Erzählungen sind folglich Träger einer Ethik des Begehrens: Sie bejahen die sexuelle Lust und erkennen Fehlbeurteilung und Begrenzung an, aber sie schließen keine Kompromisse und enden nicht mit Unvereinbarkeit, Kontraktion und Begrenzung. Ihre Lesart behauptet also, dass Chaucers Poesie bereits das Unbewusste offenbart, dessen Entdeckung Freud zugeschrieben wird. Außerdem nimmt Chaucer nicht nur Lacans Aussage vorweg, dass "das Unbewusste wie eine Sprache strukturiert ist", sondern auch seine Betonung der unbewussten sexuellen Differenz und des Fehlens einer Beziehung zwischen den Geschlechtern.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen hat sich die zeitgenössische Chaucer-Kritik zwar intensiv mit dem Thema Geschlecht in Chaucers Erzählungen auseinandergesetzt, ist aber der Psychoanalyse gegenüber feindlich gesinnt oder zumindest weitgehend gleichgültig geblieben. Da sie jedoch sowohl Differenz als auch Kontinuität, Veränderung und Fortbestand berücksichtigt und psychische Prozesse, Motive, Funktionen und Dynamiken einbezieht, die außerhalb des bewussten Bewusstseins ablaufen, bietet die Psychoanalyse ein breiteres Spektrum für die Analyse von Chaucers Erzählungen als die Gender-Theorie allein. Chaucers Komische Vorsehung befasst sich auch mit den unerwarteten, überraschenden und vorsehungshaft komischen Auflösungen von Chaucers Erzählungen, dem damit einhergehenden Ausbleiben von Geschlechterkonflikten und den Verbindungen zwischen Auftauchen und Ausbleiben, die in der Hoffnung auf eine segensreiche Zukunft münden.