
Balkans as Europe, 1821-1914
Diese Aufsatzsammlung stellt den Balkan in den Mittelpunkt der europäischen Entwicklungen, und zwar nicht als konfliktbeladene Problemzone, sondern als eine vollwertige europäische Region. Entgegen der landläufigen Meinung, so die Autoren des Bandes, hinkte der Balkan der übrigen europäischen Geschichte nicht hinterher, sondern nahm viele (west-)europäische Entwicklungen in den Jahrzehnten vor und nach 1900 vorweg.
In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wurden die Balkanstaaten zu vollständig unabhängigen Nationalstaaten. Im Zuge der Konsolidierung ihrer Souveränität suchten diese Länder jenseits traditioneller Staatsgründungsstrategien nach alternativen Visionen, die im Militarismus oder in der nationalen politischen Ökonomie verwurzelt waren, und waren damit nicht nur aus eigener Kraft erfolgreich, sondern veränderten ab 1912/14 Europa und die Welt. In dem Maße, in dem das Osmanische Reich schwächer wurde und mächtigere Staaten auf seinem Territorium immer mehr informelle Diplomatie betrieben, veränderten sich auch die Beziehungen zwischen Identität und Geopolitik.
Das Ergebnis war, wie die Autoren zeigen, ein Phänomen, das in den 1920er und 1930er Jahren ganz Europa durchdringen sollte: die schleichende Ersetzung der Vorstellung von staatlicher Zugehörigkeit oder Untertanentum durch Vorstellungen von Religion und Ethnizität. MITWIRKENDE: Ulf Brunnbauer, Holly Case, Dessislava Lilova, John Paul Newman, Roumiana Preshlenova, Dominique Kirchner Reill, Timothy Snyder Timothy Snyder ist Richard C.
Levin-Professor für Geschichte an der Universität Yale. Katherine Younger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) in Wien, Österreich.