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The Fear of Freedom: A Study of Miracles in the Roman Imperial Church
Mit "Angst vor der Freiheit" meint Greer die unbewusste Flucht vor der schweren Last der individuellen Entscheidung, die eine offene Gesellschaft ihren Mitgliedern auferlegt. Das Wunderbare stellt eine himmlische Macht dar, die auf die Erde gebracht und mit dem Leben der Gemeinschaft verbunden wird. Um zu verstehen, wie Wunder in der Spätantike wahrgenommen wurden, müssen wir die Vorstellung eines Wunders als Verletzung der natürlichen Ordnung beiseite lassen. Für die Kirchenväter bezieht sich "Wunder" auf alles, was Wunder hervorruft. Rowan Greer geht es nicht darum, Schlussfolgerungen über die Wahrheit oder Falschheit der in den antiken Quellen berichteten Wunder zu ziehen. Ihm geht es darum, wie die Wundergeschichten das Verständnis des Christentums im vierten und fünften Jahrhundert prägten.
Nachdem die Kirche im Zuge der konstantinischen Revolution die Vorherrschaft im Reich erlangt hatte, glaubten die meisten Christen, dass ein neues christliches Gemeinwesen im Entstehen begriffen sei. Die Wunder im Zusammenhang mit dem Heiligenkult (Märtyrer und ihre Reliquien) im christlichen Reich waren Teil dieser Sakralisierung. In der römischen Reichskirche herrschte eine Spannung zwischen der christlichen Botschaft, die sich auf die Tugend und das Individuum konzentrierte, und der korporativen Frömmigkeit, die sich auf die Ermächtigung des Gottesvolkes konzentrierte.
Mit Augustinus wird der christliche Platonismus in eine "neue Theologie" umgewandelt, die weitaus besser mit der bis dahin entstandenen Gemeinschaftspoesie übereinstimmt. Die Betonung der Gnade und der Souveränität Gottes passt besser zu der Beschäftigung mit Wundern als die alte Betonung der menschlichen Freiheit und Tugend und bereitet die Bühne für das westliche Mittelalter und den Heiligenkult, der organisiert und in den Mittelpunkt der christlichen Frömmigkeit gestellt wird.
Bei der Untersuchung des römischen kaiserlichen Christentums vor dem Zusammenbruch des Abendlandes entdecken wir die Tendenz, eine Art von Freiheit durch eine andere zu ersetzen. Die Freiheit als Fähigkeit des Menschen, sich für das Gute zu entscheiden, verschwindet natürlich nicht, aber im Großen und Ganzen wird sie der Vorstellung von Gottes souveräner Gnade und sogar dem Beharren auf der Autorität der Kirche untergeordnet.