
Hearing Double: Jazz, Ontology, Auditory Culture
Wenn wir von einem Jazz-„Standard“ sprechen, meinen wir gewöhnlich einen der vielen Songs, die Jazzmusiker immer wieder als Teil ihres Kernrepertoires spielen. Doch im Gegensatz zu musikalischen Werken in der Tradition der so genannten klassischen Musik werden Standards - ob aus dem „Great American Songbook“ oder von Aufnahmen anderer Jazzmusiker - bei der Aufführung immer wieder verändert.
Sie werden neu arrangiert und improvisiert, mit neuen Akkorden und veränderten Melodien versehen. Dabei kann es sich um kleine, scheinbar unbedeutende Veränderungen handeln, aber auch um radikale Umgestaltungen. Das wirft die Frage auf: Was gibt einem Standard bei all diesen verschiedenen Aufführungen seine Identität?
In Hearing Double gibt der Autor Brian Kane eine Antwort auf diese Frage, indem er eine neue Theorie musikalischer Werke vorstellt, die den besonderen Herausforderungen von Standards gerecht werden kann. Er geht von der Basis aus - von den tatsächlichen Praktiken der Jazzmusiker bis hin zu ihren philosophischen Implikationen - und stellt eine umfassende Theorie darüber auf, wie ein Standard radikale musikalische Transformationen durchlaufen und dennoch identifizierbar bleiben kann.
Durch eine Analyse der historischen und kulturellen Bedingungen, unter denen Standards bekannt wurden, zeigt er, wie populäre Musik von den 1930er bis zu den 1960er Jahren zirkulierte und verbreitet wurde, und liefert neue Erkenntnisse darüber, warum die Ära der Standards gerade dann entstand, als sie entstand. Darüber hinaus geht Kane auf die ästhetische Bedeutung von Standards ein und beschreibt eine besondere Art des Hörens, die Standards erfordern.
Laut Kane hören wir tatsächlich „doppelt“ - wir hören einen idealen Song in unseren Köpfen, während wir gleichzeitig die Live-Aufführung mit unseren Ohren hören. Anhand von Fallstudien und Musikanalysen lenkt Hearing Double die Aufmerksamkeit des Lesers auf ungehörte Aspekte der Jazz-Performance sowie auf unerkannte philosophische, soziale und kulturelle Dimensionen des Jazz-Repertoires.