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Three Hundred Years of Decadence: New Orleans Literature and the Transatlantic World
Der Ruf von New Orleans als dekadente Stadt rührt zum Teil von seiner prekären Umwelt, seiner Frankophilie, seinen afro-karibischen Verbindungen, seinem Katholizismus und seiner Litanei von angeblichen "Lastern" her, die Prostitution, Rassenmischung, Homosexualität und jede Menge der sieben Todsünden umfasst. Robert Azzarellos Dreihundert Jahre Dekadenz ist ein eindrucksvolles kulturkritisches Werk, in dem er darlegt, dass Dekadenz eine nuanciertere Bedeutung haben kann als nur Verfall oder Niedergang im physischen, sozialen oder moralischen Sinne. Stattdessen steht die Dekadenz in der Literatur von New Orleans in einer komplexen, ja paradoxen Beziehung zu Konzepten wie Schönheit und Gesundheit, Fortschritt und technischem Fortschritt.
Azzarello stellt das Konzept der Dekadenz, seine Wahrnehmung und die daraus resultierenden unruhigen sozialen Beziehungen als einen anregenden Weg zur Entschlüsselung der langen, wechselhaften Geschichte von New Orleans und seiner Stellung in der transatlantischen Welt vor. Durch die Analyse literarischer Werke, die vom späten 17. Jahrhundert bis zu zeitgenössischen Spekulationen über die Zukunft der Stadt reichen, deckt Azzarello auf, wie Dekadenz oft eine Verklärung von Werten bezeichnet, bei der Vorstellungen über das vermeintlich Gute und das Schlechte ihre Stabilität nicht aufrechterhalten können und sich schließlich ineinander verwandeln. Diese sich wandelnden Darstellungen eines dekadenten New Orleans, die Azzarello sowohl mit Blick auf Details der lokalen Geschichte als auch auf Erkenntnisse der kritischen Theorie nachzeichnet, machen deutlich, in welchem Maße die Stadt als Kontaktzone für Völker und Kulturen aus Europa, Afrika und Amerika fungiert.
Azzarello stützt sich auf ein umfangreiches und wenig erforschtes Archiv der Literatur von New Orleans und untersucht Texte aus verschiedenen Genres (Belletristik, Poesie, Drama, Lieder und Reiseberichte), darunter viele in anderen Sprachen als Englisch. Seine Analyse umfasst Transkriptions- und Übersetzungswerke wie George Washington Cables "Creole Slave Songs" und Mary Haas' Tunica-Texte, die er in einen Dialog mit kanonischen und neueren Werken über die Stadt sowie mit vernachlässigten Texten wie Ludwig von Reizensteins deutschsprachiger Serie The Mysteries of New Orleans und Charles Chesnutts Roman Paul Marchand, F. M. C. stellt.
Mit seiner sorgfältigen Analyse und seinem fokussierten Umfang deckt Three Hundred Years of Decadence die immense Bedeutung auf - historisch, politisch und ästhetisch -, die literarische Imaginationen eines dekadenten New Orleans für das Verständnis der Stadt als multikulturelle, transatlantische Kontaktzone haben.
--John Lowe, Autor von Calypso Magnolia: The Crosscurrents of Caribbean and Southern Literature.