
A Non-Oedipal Psychoanalysis?: A Clinical Anthropology of Hysteria in the Works of Freud and Lacan
Die verschiedenen psychopathologischen Syndrome zeigen in übertriebener und karikaturistischer Weise die Grundstrukturen der menschlichen Existenz. Diese Strukturen kennzeichnen nicht nur die Psychopathologie, sondern sie bestimmen auch die höchsten Formen der Kultur. Dies ist das Credo der Freudschen Anthropologie. Diese Anthropologie impliziert, dass der Mensch ein Wesen des Dazwischen ist. Der Mensch ist im Wesentlichen zwischen Pathologie und Kultur verstrickt, und die "Normativität" kann nicht theoretisch überzeugend definiert werden. Die Autoren dieses Buches bezeichnen diese Freudsche Anthropologie als eine Pathoanalyse des Daseins oder eine klinische Anthropologie. Diese Anthropologie gibt dem Nietzsche'schen Diktum, dass der Mensch ein "krankes Tier" sei, eine neue Bedeutung. Freud und später Lacan entwickelten diese anthropologische Einsicht zunächst in Bezug auf die Hysterie (in ihrer Beziehung zur Literatur).
Diese pathoanalytische Perspektive verschwindet in Freuds Texten nach 1905 zunehmend. Das vorliegende Buch zeigt die entscheidenden Momente dieser Entwicklung auf. Dabei zeigt es nicht nur deutlich, dass Freud den Ödipuskomplex viel später einführte, als gewöhnlich angenommen wird, sondern auch, dass die Theorie des Ödipuskomplexes mit dem Projekt einer klinischen Anthropologie unvereinbar ist.
Die Autoren untersuchen nicht nur die philosophische Bedeutung dieser These im Werk Freuds. Sie untersuchen auch ihre Avatare in den Texten von Jacques Lacan und zeigen, wie dieses Projekt einer Pathoanalyse der Existenz uns unweigerlich dazu zwingt, eine nicht ödipale psychoanalytische Anthropologie zu formulieren.