
A Theology of Genocide?: Reading Deuteronomy 20
Das zwanzigste Jahrhundert wurde nicht zu Unrecht als das "Jahrhundert des Völkermords" bezeichnet. Ganze Gruppen von Menschen wurden aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer Religion abgeschlachtet, von Armenien bis Ruanda. Wie ist vor diesem Hintergrund das Gebot im Deuteronomium zu verstehen, von den kanaanitischen Völkern im Gelobten Land "nichts am Leben zu lassen, was atmet" (Dtn 20,17-18)?
In dieser eindringlichen Studie geht Milner zunächst der Frage nach, ob diese Passage zur Rechtfertigung völkermörderischer Gewalt verwendet wurde (das ist der Fall, aber nicht annähernd so oft, wie manche meinen). Dann untersucht er, wie solche Texte verstanden wurden, und zeigt, dass die meisten Leser den Text allegorisch verstanden haben, als Metapher für den inneren Kampf gegen die Sünde.
Das mag als eine zu einfache Lösung erscheinen. Anhand moderner historischer und literarischer Analysen des Textes zeigt Milner jedoch, dass die ursprünglichen Adressaten dieses Textes ihn ebenfalls symbolisch verstanden hätten, da sie viele Generationen nach der "erzählten Zeit" der Eroberung lebten, als es keine kanaanäischen Völker mehr gab, die ausgerottet werden mussten. Außerdem zeigt die Erzählung selbst, dass die "militärische Option" ein völliger Fehlschlag war, und empfiehlt sie dem Publikum des Textes nicht.
Milner argumentiert, dass Gott den Völkermord ebenso wenig befohlen hat, wie er im Abendwind in Eden umherschwebte (Gen 3,8) oder Satan ermutigte, Hiob zu verfolgen und zu verführen (Hiob 1-2). Diese Einsicht sei keineswegs neu und gehe auf frühchristliche Theologen zurück, insbesondere auf Origenes und Gregor von Nyssa, die argumentierten, dass Passagen, die nicht "gotteswürdig" seien, nicht wörtlich interpretiert werden dürften.