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History and Eschatology: The Presence of Eternity
Rudolf Bultmann bleibt der einflussreichste Neutestamentler des zwanzigsten Jahrhunderts. Er verbindet strenge Quellen- und Formkritik mit einem unerbittlichen Historismus und formuliert gleichzeitig eine robuste, herausfordernde und relevante Theologie. Bultmanns große Leistung besteht nicht darin, dass er alle überzeugt hat. Vielmehr ist es die Tatsache, dass sein Werk nach wie vor die Messlatte für das Studium des Neuen Testaments und des frühen Christentums ist.
Bultmann war kein einfacher Historiker, Fachkritiker oder neutestamentlicher Theologe. Bultmanns Genie - und manche meinen, seine Achillesferse - liegt in seinem strategischen Einsatz der Existenzphilosophie als Mittel zur Deutung der Bedeutung des Christentums. In Geschichte und Eschatologie, das erstmals 1955 als Gifford-Vorlesung präsentiert wurde, geht Bultmann einen Schritt zurück, um größere philosophische Fragen über die Beziehung zwischen der Geschichte und der christlichen Zukunft anzusprechen, und weitet dann seine Betrachtung auf die Frage aus, wie der Sinn innerhalb der Geschichte existiert.
Bultmann beginnt mit einer Diskussion des antiken zyklischen Geschichtsverständnisses, bevor er den grundlegenden eschatologischen Wandel im Geschichtsverständnis untersucht. Bultmann schreibt der jüdisch-christlichen Tradition zu, dass sie die Geschichte als lineare Geschichte mit einem klaren Ende, das in der Wiederkunft Christi gipfelt, neu konzipiert hat. Aber, wie Bultmann argumentiert, war dieses neue Geschichtsverständnis nicht ohne Probleme. Die tiefe Enttäuschung der frühen Kirche über die Nichtwiederkehr Christi zwang die Christen zu einer teleologischen Neuinterpretation der Geschichte, die in der Renaissance ihre Blütezeit erlebte und überraschenderweise im Marxismus mündete. Nach Bultmann vernachlässigt diese Teleologie die Beteiligung des Einzelnen am Christusereignis.
Schließlich stützt sich Bultmann auf Paulus und Johannes, um diesen rein teleologischen Ansatz in Frage zu stellen und ein christliches Verständnis von Geschichte und Eschatologie auf das historische Ereignis Christi zu gründen, das sowohl zeitlos als auch unmittelbar gegenwärtig ist. Nur durch dieses Christusereignis, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft, findet das Leben einen ewigen Sinn.