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Lyric Shame
Gillian White bringt eine provokative Perspektive auf die Poesiekriege, die Praktiker und Kritiker seit Jahrzehnten entzweit haben.
Sie argumentiert, dass die scharfen Meinungsverschiedenheiten, die die zeitgenössische Poetik umgeben, von "lyrischer Scham" geprägt sind - einer unausgesprochenen, aber allgegenwärtigen Verlegenheit darüber, was Poesie ist, sein sollte und nicht sein darf. Die Lyrik, die vor allem von modernen amerikanischen Dichtern bevorzugt wird, galt lange Zeit als Ausdruck der innersten Gedanken und Gefühle des Autors.
Doch in den 1970er Jahren war das "lyrische Ich" in literarischen Kreisen zur Persona non grata geworden. Dichter und Kritiker warfen sich gegenseitig vor, sich mit der Lyrik zu "identifizieren", die zunehmend mit dem Stigma des Egoismus und der politischen Rückständigkeit behaftet war. Anhand der Lektüre von Elizabeth Bishop, Anne Sexton, Bernadette Mayer, James Tate und anderen untersucht White die soziale und kritische Dynamik, durch die bestimmte Gedichte als "Lyrik" identifiziert werden, und argumentiert, dass sich der Begriff weniger auf ein spezifisches literarisches Genre als auf eine abstrakte Art der Projektion von Subjektivität auf Gedichte bezieht.
Die Diskussionen darüber, ob Lyrik Lob oder Tadel verdient, kreisen um das, was White "das fehlende lyrische Objekt" nennt, ein idealisiertes Gedicht, das nirgendwo und doch überall ist und das das Produkt von Lesepraktiken ist, die sowohl die Befürworter als auch die Kritiker von Lyrik den Gedichten auferlegen. Auf der Grundlage aktueller Trends in der Affekt- und Lyriktheorie bringt Lyric Shame die Annahmen ins Wanken, die einem Großteil der zeitgenössischen Lyrikkritik zugrunde liegen, und erklärt, warum die emotionale, bekenntnishafte Ausdruckskraft, die der amerikanischen Lyrik zugeschrieben wird, so umstritten geworden ist.