
Some Would Call This Living
Herman Bang (1857-1912) war ein scharfsinniger Beobachter der Gesellschaft und der Umgangsformen seiner Zeit mit einem Auge für aufschlussreiche Details.
In einem Moment konnte er Heuchelei und Arroganz gnadenlos aufs Korn nehmen, im nächsten empörte Sympathie für die Ausgestoßenen und Gescheiterten einer rücksichtslos konkurrierenden Welt hervorrufen. In seinen Romanen und vor allem in seinen Kurzgeschichten macht er oft eine unscheinbare Figur zu seinem Protagonisten, die von einem zufälligen Beobachter als uninteressant abgetan werden könnte: eine gescheiterte Balletttänzerin, die sich als umherziehende Tanzlehrerin in abgelegenen Dörfern durchschlägt ("Irene Holm"), oder die Tochter eines Gastwirts, die sich von morgens bis abends abmüht, um über die Runden zu kommen ("Fr ken Caja").
Er kann sich auch über Anmaßungen und Intrigen lustig machen, wie in "Die Raben", wo die Familie der alternden Fr ken Sejer intrigiert, um sie für unmündig erklären zu lassen, während sie hinter ihrem Rücken ihre Wertsachen verkauft, um sie um ihr Erbe zu betrügen. Sein breit gefächerter Journalismus hat viele Ziele: Er macht die Leser auf die elende Armut aufmerksam, die sich nur wenige Schritte von den florierenden Geschäften der Stadt entfernt verbirgt, oder auf die Unfähigkeit der europäischen Herrscherhäuser - und er feiert die Innovationen der Moderne, wie das Automobil oder das Kaufhaus.