
Poetry and Theology in the Book of Lamentations: The Aesthetics of an Open Text
Das Buch der Klagelieder ist eine Herausforderung für seine Leser. Seine zweideutige Theologie, seine schrillen Proteste gegen die Gottheit und seine eindringlichen Bilder verwirren die Interpreten.
Diese Monographie geht dem Rätsel der Klagelieder auf den Grund, indem sie ihre Theologie untersucht. Sie tut dies jedoch weder, indem sie eine einzelne theologische Perspektive durch das Buch verfolgt, noch indem sie die Geschichte der Komposition des Buches rekonstruiert. Vielmehr bewertet Heath Thomas die Poesie der Klagelieder, indem er jedes einzelne Gedicht des Buches einer genauen Analyse unterzieht.
Er überdenkt das Akrostichon als Grundstruktur der Dichtung, liest das Buch als ein bewusst komponiertes Ganzes und bewertet den durchdringenden Gebrauch von Wiederholung, Metapher und Anspielung. Zum ersten Mal in diesem Bereich stützt sich die Analyse auf die Erkenntnisse des italienischen Semiotikers Umberto Eco.
Unter Rückgriff auf Ecos Unterscheidung zwischen "offenen" und "geschlossenen" Textualitäten argumentiert Thomas, dass die Klagelieder einen ausgesprochen "offenen" Text darstellen, der dem Leser eine Vielzahl überraschender Interpretationsmöglichkeiten bietet. Dieser besondere Ansatz vermeidet eine Polarisierung des Gottesbildes in den Klageliedern und argumentiert, dass die Dichtung weder Gott uneingeschränkt rechtfertigt noch das Volk Gottes im Exil entlastet. Vielmehr ermöglicht er, dass diese theologischen Visionen miteinander in Beziehung treten, und lädt den Leser ein, sich einen Reim auf die Interaktion zu machen.
Die zweideutige theologische Vision der Klagelieder ist also kein Problem, das der Leser überwinden soll, sondern ein integraler Bestandteil der Sinnkonstruktion. Diese originelle Monographie bietet eine neue Perspektive darauf, wie die Dichtung unser Verständnis des theologischen Denkens im exilischen Zeitalter prägt.