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Regimes of Historicity: Presentism and Experiences of Time
Francois Hartog untersucht die entscheidenden Momente des Wandels in den "Regimen der Geschichtlichkeit" der Gesellschaft, d.h. in ihren Beziehungen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Inspiriert von Hannah Arendt, Reinhart Koselleck und Paul Ricoeur analysiert Hartog ein breites Spektrum von Texten, wobei er die Odyssee als ein Werk an der Schwelle zum historischen Bewusstsein positioniert und sie mit einer Untersuchung des Anthropologen Marshall Sahlins' Konzept der "heroischen Geschichte" kontrastiert. Er verfolgt die sich wandelnden Zeitperspektiven in Chateaubriands Historical Essay und Travels in America und stellt sie anderen Schriften der Französischen Revolution gegenüber. Er greift die Erkenntnisse der französischen Annales-Schule auf und verortet Pierre Noras Reiche der Erinnerung innerhalb einer Geschichte des Erbes und des heutigen Präsentismus, von dem aus er Jonas' Vorstellung von unserer Verantwortung für die Zukunft aufgreift.
Unsere gegenwärtige Gegenwart ist keineswegs einheitlich oder klar umrissen, und sie wird je nach der Position, die wir in der Gesellschaft einnehmen, sehr unterschiedlich erlebt. Wir sind gefangen in der globalen Bewegung und den beschleunigten Strömen, oder wir sind zum Leben von Gelegenheitsarbeitern verdammt, die von der Hand in den Mund in einer stagnierenden Gegenwart leben, ohne anerkannte Vergangenheit und auch ohne wirkliche Zukunft (da die Zeitlichkeit von Plänen und Projekten unzugänglich ist).
Die Gegenwart wird daher als Emanzipation oder Einschließung erlebt, und die Perspektive der Zukunft ist nicht mehr beruhigend, da sie nicht als Verheißung, sondern als Bedrohung empfunden wird. Hartogs klangvolle Lektüre zeigt uns, wie der Motor der Geschichts(-schreibung) ins Stocken geraten ist, und hilft uns, die widersprüchlichen Qualitäten unseres zeitgenössischen präsentistischen Verhältnisses zur Zeit zu verstehen.