
Transcultural Memory and European Identity in Contemporary German-Jewish Migrant Literature
Die Erinnerung an den Holocaust als moralischen und ethischen Grenzfall zu bewahren, ist der Schlüssel für den Versuch der Europäischen Union, eine gesamteuropäische Identität zu schaffen.
Doch mit der Osterweiterung der EU haben neue Mitgliedstaaten die Einzigartigkeit des Holocausts in Frage gestellt und fordern, dass die Traumata des stalinistischen Gulag viel deutlicher anerkannt werden. Obwohl Europa politisch geeint ist, ist es durch seine unterschiedlichen Wahrnehmungen der Vergangenheit gespalten.
Jessica Ortner argumentiert, dass deutsch-jüdische Schriftsteller aus Osteuropa und der DDR, die während oder nach dem Kalten Krieg als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, kritisch auf die Notwendigkeit reagiert haben, das europäische kulturelle Gedächtnis um die traumatischen Erfahrungen des Ostens zu erweitern. Zu den Autorinnen und Autoren gehören Katja Petrowskaja, Olga Grjasnowa, Lena Gorelik, Vladimir Vertlib und Barbara Honigmann. Ein zentrales Thema des Buches ist die „Reise der Erinnerungen“ von Osteuropa und der DDR nach (West-)Deutschland und Österreich.
Ortner führt den Begriff der „Literatur der mnemonischen Migration“ ein und stellt fest, dass diese Autoren in ihren Texten die mnemonische Kluft zwischen Ost und West verhandeln. Sie kritisieren die normative Erinnerungspolitik sowohl Deutschlands als auch der Sowjetunion und thematisieren nicht nur die politisch brisante Frage, wie man sich an Nationalsozialismus und Kommunismus erinnert, sondern auch den Status der Juden im heutigen Deutschland.