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Ardea: A Philosophical Novella
Was ist Seele? Kann man sie verschenken? Kann sie weggetauscht werden? Und wenn ja, was wäre die Folge? Welche Folgen hätte der Verlust der Seele - für den Einzelnen, für die Gesellschaft, für die Erde?
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde Goethes Held Faust zum bestimmenden Archetyp der Moderne, zum Vorboten der existenziellen Möglichkeiten und moralischen Komplexität des modernen Zustands. Doch heute werden die schrecklichen Folgen des faustischen Pakts mit dem Teufel auf alarmierende Weise sichtbar. Wie würde sich Goethes fehlerhaftes Drama vor diesem Hintergrund im 21. Jahrhundert darstellen? Würde sich ein zeitgenössischer Faust auf einen dämonischen Pakt einlassen? Was bliebe dem Teufel nach zweihundert Jahren sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung überhaupt noch zu bieten? Ein zeitgenössischer Faust würde bereits alles besitzen, was dem ursprünglichen Faust in seinem asketischen Kloster fehlte - Wohlstand und Mobilität, Berühmtheit und weltlicher Einfluss, Zugang zu Informationen, religiöse Wahlmöglichkeiten, sexuelle Freiheit und die Verfügbarkeit von Frauen - obwohl Frauen, wie man anmerken muss, gegenwärtig ebenfalls an dieser Freiheit teilhaben. Das Einzige, was einem Faust von heute fehlen würde, wäre seine Seele. Würde er sie vermissen? Gibt es überhaupt eine Seele? Wenn ja, wäre sie natürlich das Einzige, was der Teufel nicht schenken könnte. Woher oder von wem könnte Faust sie also bekommen? Was, mit einem Wort, würde sich ein zeitgenössischer Faust am meisten wünschen?
Um diesen Fragen nachzugehen, stellt Ardea einen vertrauten, aber möglicherweise fehlerhaften Archetyp, den des Faust, einem unbekannten gegenüber, dem des weißen Reihers, einem Archetyp, der einer gleichnamigen Kurzgeschichte der amerikanischen Autorin Sarah Orne Jewett aus dem 19. In Jewetts Erzählung wird ein Seelenpakt ganz anderer Art als der von Faust vorgeschlagen. Es handelt sich um einen Pakt mit der Wildnis, ein Treuegelöbnis, das verspricht, die gewalttätigen psychosexuellen und psychospirituellen Muster, die der Moderne zugrunde liegen, neu zu entwerfen. Wie würde ein heutiger Erbe der faustischen Tradition, dem die Gewohnheit des Anspruchs innewohnt, der aber auch mit den Folgen des alten Pakts belastet ist, auf das neue Angebot reagieren?