
Reading Conrad
Seit einem halben Jahrhundert ist J. Hillis Miller eine der wichtigsten Persönlichkeiten der englischen und vergleichenden Literaturwissenschaft, die die Richtung der Literaturwissenschaft beeinflusst und vorgegeben hat.
Weniger bekannt ist, dass er mit seiner Arbeit über Nihilismus, Sprache und Erzählung in Joseph Conrads Romanen einen ebenso großen Einfluss auf die Conrad-Forschung hatte. In verschiedenen Stadien seiner langen Karriere kehrte Miller immer wieder zu Conrad zurück, las ihn im Lichte neuer kritischer Trends und entdeckte immer wieder neue Aspekte in den Werken des einflussreichen Autors. Dieser Band, herausgegeben von John G.
Peters und Jakob Lothe, zeichnet Millers sich wandelnde Einsichten in Joseph Conrads Fiktion nach und unterstreicht das Potenzial der Conrad-Forschung, Kernfragen der Erzähltheorie, Ästhetik und Geschichte zu beleuchten. Reading Conrad by J.
Hillis Miller zeigt eine überraschende Kohärenz in Millers Karriere sowie den Reichtum von Conrads Fiktion, die vielfältige Möglichkeiten für so unterschiedliche kritische Ansätze wie Phänomenologie, neue Kritik, Dekonstruktion, Erzähltheorie und Ethik des Erzählens bietet. Millers Analysen betonen die rhetorische und performative Kraft der Literatur und legen letztlich nahe, dass die erzählende Fiktion zwar ein Effekt einer Reihe komplexer Phänomene in der Gesellschaft und in der menschlichen Psyche ist, dass sie sich aber als literarische Sprache auch indirekt auf die äußere Welt beziehen und zur Geschichtsbildung von innen heraus beitragen kann.