Bewertung:

Alan Brays _Der Freund_ erforscht die Komplexität der Freundschaft und ihre möglichen sexuellen Hintergründe in der Vormoderne. Das Buch setzt sich mit den Interpretationen gleichgeschlechtlicher Beziehungen auseinander und übt gleichzeitig Kritik an der bisherigen Forschung, insbesondere an John Boswells Werk. Brays Ansatz wird als radikal und doch subtil beschrieben, da er sich auf das nuancierte Verständnis von Freundschaft als nicht rein platonisch oder sexuell konzentriert.
Vorteile:Das Buch ist detailliert und beinhaltet eine sorgfältige Analyse, die denjenigen belohnt, der sich die Zeit nimmt, es zu lesen. Bray präsentiert eine nuancierte Argumentation, die konventionelle Vorstellungen von Freundschaft und Erotik in Frage stellt. Viele Rezensenten schätzen den subtilen und eleganten Schreibstil, der trotz seiner Komplexität zum tieferen Nachdenken über historische Beziehungen einlädt.
Nachteile:Manchen Lesern mag die Prosa zu kompliziert erscheinen, was zu Verwirrung über Brays Hauptargument führt. Es gibt Anzeichen dafür, dass Kritiker Brays Argumente missverstanden haben, insbesondere was die sexuelle Natur der diskutierten Freundschaften betrifft. Darüber hinaus erfordert das Buch Geduld, was einige Leser, die eine unkomplizierte Erzählung suchen, abschrecken könnte.
(basierend auf 4 Leserbewertungen)
The Friend
In der Kapelle des Christ's College in Cambridge machte der Historiker Alan Bray vor etwa zwanzig Jahren eine erstaunliche Entdeckung: ein gemeinsames Grabmal von zwei Männern, John Finch und Thomas Baines. Das Denkmal enthielt beredte Bilder, die ihrer Freundschaft gewidmet waren: Porträts der beiden Freunde, die durch ein verknotetes Tuch verbunden waren. Bald erfuhr Bray, dass Finch seine Freundschaft mit Baines gemeinhin als "connubium" oder "Ehe" bezeichnete.
Es gab eine Zeit, wie dieses Denkmal deutlich macht, in der die englische Kirche solche Beziehungen zwischen Männern nicht nur verehrte, sondern auch segnete. Ausgehend von dieser bemerkenswerten Idee erkundet The Friend die lange und geschichtsträchtige Beziehung zwischen Freundschaft und der traditionellen Familie der Kirche in England. Dieses meisterhafte Werk reicht vom Jahr 1000, als Europa eine Form annahm, die zu seiner dauerhaften Gestalt wurde, bis ins achtzehnte und neunzehnte Jahrhundert. Anhand einer Vielzahl faszinierender Beispiele, die von Gedenktafeln und Grabplatten über religiöse Riten und theologische Bilder bis hin zu klassischen Werken der Philosophie und der englischen Literatur reichen, zeigt Bray, dass die öffentliche Nutzung privater Zuneigung in der Vormoderne weit verbreitet war. Er entlarvt die heute übliche Lesart von Freundschaft durch Sexualhistoriker, die homoerotische Wünsche auf ihre Probanden projizieren, obwohl es keine gab. Vor allem aber untersucht er, wie sich die Ethik der Freundschaft im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat, von der traditionellen Betonung der Loyalität über die kantische Idee des moralischen Wohlwollens bis hin zu der privateren und sexualisierten Vorstellung von Freundschaft, die in der Neuzeit entstanden ist.
Das fein nuancierte und elegant konzipierte Buch The Friend ist reich an anregenden Thesen und augenöffnenden Details. Es ist eine unverzichtbare Lektüre für jeden, der sich für die Geschichte Englands und die Bedeutung der Freundschaft im täglichen Leben interessiert.
History Today' s Buch des Jahres, 2004.
"Brays Liebespaarung ist etwas mit einem richtigen historischen Rückgrat, mit Substanz und Form, etwas, das man über die Zeit hinweg verfolgen kann, sichtbar und archäologisch.... Bray hat einen großen Beitrag dazu geleistet, diese lange Geschichte ans Licht zu bringen" - James Davidson, London Review of Books.