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The Man of Genius
In dem 1891 erstmals in englischer Sprache erschienenen Werk wird argumentiert, dass Genie ein krankhafter Zustand ist, eine ganz besondere Form des Wahnsinns, die häufig neben körperlichen oder anderen geistigen Abnormitäten auftritt. Alexander war kleinwüchsig.
Cardano war hypochondrisch. Sokrates hatte eine kretinartige Physiognomie. Giotto hatte Rachitis.
Kant eine abnorme Entwicklung des linken Scheitelbeins.
Erasmus stotterte. Der heilige Paulus war Epileptiker.
Coleridge ein Alkoholiker. Nerval ein manisch-depressiver Mensch. Carlyle misshandelte seine Frau.
Lombroso untersucht Hunderte von künstlerischen, literarischen und religiösen Persönlichkeiten und stellt die Abweichungen in ihrer Persönlichkeit, ihrem Privatleben, ihren Gewohnheiten, ihrem Schaffen, ihren körperlichen und psychologischen Merkmalen fest. Die hier vertretene Theorie war zwar schon zu ihrer Zeit umstritten, erwies sich aber dennoch als kulturell einflussreich. Vor allem bot der Autor eine der frühesten Untersuchungen zur Kunst der Geisteskranken.
Hans Prinzhorn, Autor von The Artistry of the Mentally Ill (1922), wurde von Lombrosos Untersuchung der psychiatrischen Kunst inspiriert. Prinzhorns Werk wiederum inspirierte Jean Dubuffet zur Gründung der Art Brut-Bewegung.
Auch Max Nordaus Entartung (1892) - ein Angriff auf die "entartete" Kunst - hat viel mit Lombrosos Arbeit über geniale Männer in Kunst und Literatur zu tun. Obwohl er als wissenschaftliche Studie mit seiner Verschmelzung von Kriminologie, Kriminalanthropologie, Degenerationstheorie, Psychiatrie und Physiognomie überholt ist, bleibt Der geniale Mensch ein Meilenstein in der Ideengeschichte. Und obwohl die moderne Psychologie vieles von dem, was Lombroso als Anzeichen für Geisteskrankheit ansah, als geringfügige Abweichungen einstuft, haben seine Einsichten nicht einen gewissen Wahrheitsgehalt behalten?