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The Conversion of Herman the Jew: Autobiography, History, and Fiction in the Twelfth Century
Irgendwann gegen Mitte des zwölften Jahrhunderts, so wird vermutet, verfasste eine ansonsten obskure Gestalt, die als Jude in Köln geboren und später in Cappenberg in Westfalen zum Priester geweiht wurde, einen lateinischen Bericht über seine Bekehrung zum Christentum. Dieses Buch, das als Opusculum bekannt ist und angeblich von "Herman, dem ehemaligen Juden" stammt, könnte die erste Autobiografie sein, die im Abendland nach den Bekenntnissen des heiligen Augustinus geschrieben wurde. Vielleicht ist es aber auch etwas ganz anderes.
In Die Bekehrung des Juden Herman untersucht der renommierte französische Historiker Jean-Claude Schmitt diesen einzigartigen Text und die Art und Weise, wie er seine Leser gespalten hat. Während die einen darin eine authentische Bekehrungsgeschichte sehen, fragen andere, ob es sich nicht um eine von christlichen Klerikern gefälschte Geschichte handelt. Für Schmitt ist die Frage schlecht gestellt. Das Werk ist zugleich wahr und fiktiv, und die Suche nach seinem alleinigen Autor - ob konvertierter Jude oder nicht - ist fruchtlos. Herman mag durchaus existiert und zur Niederschrift seines Lebens beigetragen haben, aber das Opusculum ist ein kollektives Werk, das vielleicht im Hinblick auf ein bestimmtes institutionelles Ziel verfasst wurde.
Mit Gewandtheit und Gelehrsamkeit untersucht Schmitt den Text, um seine Bedeutung innerhalb der Gesellschaft und Kultur seiner Zeit und seine Beteiligung an einem christlichen und jüdischen Imaginären zu erkunden. Was kann er uns über Autobiographie und Subjektivität, über die Funktion von Träumen und die Legitimität religiöser Bilder, über individuelle und kollektive Bekehrung sowie über Namen und Identitäten sagen? In Die Bekehrung des Juden Herman greift Schmitt meisterhaft die Debatten um das Opusculum auf (dessen Text für diesen Band neu übersetzt wurde), um die Denk- und Schreibweise von Historikern grundsätzlicher zu überdenken.