
The Jewish Reformation: Bible Translation and Middle-Class German Judaism as Spiritual Enterprise
Im späten achtzehnten Jahrhundert begannen die deutschen Juden mit bemerkenswerter Geschwindigkeit in die Mittelschicht aufzusteigen. Dieser Aufstieg, so wird oft behauptet, fiel mit der zunehmenden Entfremdung der Juden von der Religion und dem jüdischen Volkstum zusammen.
Tatsächlich, so argumentiert Michah Gottlieb, war diese Zeit eine Zeit der intensiven Beschäftigung mit jüdischen Texten und Traditionen. Ein Ausdruck davon war die bemerkenswerte Hinwendung zur Bibelübersetzung. In den anderthalb Jahrhunderten, die mit Moses Mendelssohns bahnbrechender Übersetzung begannen und mit der letzten Übersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig endeten, brachten die deutschen Juden sechzehn verschiedene Übersetzungen zumindest des Pentateuch hervor.
Anhand der Bibelübersetzungen von Mendelssohn, Leopold Zunz und Samson Raphael Hirsch zeigt Michah Gottlieb, dass jeder Übersetzer eine Reformation des Judentums im Sinne des Bürgertums anstrebte, was eine Anpassung des Judentums an ein protestantisches Religionskonzept bedeutete. Buber und Rosenzweig kritisierten das bürgerliche deutsche Judentum als einen feigen Versuch, durch ein fades, domestiziertes Judentum soziale Respektabilität herzustellen, um Juden den Eintritt in die Mittelschicht zu erleichtern.
Doch Mendelssohn, Zunz und Hirsch sahen in bürgerlichen Werten das beste Mittel, um Gott zu dienen und die jüdische Tradition authentisch zu verwirklichen. Durch ihre gelehrten, kreativen Bibelübersetzungen präsentierten diese Gelehrten konkurrierende Visionen eines bürgerlichen Judentums, das die jüdische Nation bekräftigte und gleichzeitig den Weg zu einem zielgerichteten, gefühlsreichen und auf ethischer Verantwortung beruhenden geistigen Leben aufzeigte.