
Writing the Revolution: The Construction of 1968 in Germany
Ein umfassender Blick auf historische, literarische und mediale Repräsentationen von "68" in Deutschland, der die Instrumentalisierung in Frage stellt.
Der Begriff "1968" ist in Deutschland ein Dauerbrenner und Synonym für die deutsche Studentenbewegung und wird in unterschiedlicher Weise als grundlegende Liberalisierung, als Mythos, als zweite Gründung oder als Irritation gesehen. Die Ziele der Bewegung - radikale Umgestaltung der politischen und wirtschaftlichen Ordnung und der gesellschaftlichen Hierarchie - wurden als "langer Marsch" verstanden. Während die Bewegung bestenfalls als "erfolgreiches Scheitern" gewertet wurde, beschäftigen sich die kulturellen Eliten weiterhin mit der Konstruktion von 1968. Ingo Cornils argumentiert in seinem Buch, dass es beim Schreiben über 1968 in Deutschland nicht mehr um die historischen Ereignisse oder die spezifischen Ziele einer vergangenen Gegenkultur geht, sondern um einen moralischen Prüfstein, einen Marker für die Identität einer sozialen Gruppe, der dazu dient, eine utopische Agenda am Leben zu erhalten (oder in Schach zu halten), die die Phantasie weiterhin beflügelt. Das Buch zeigt, dass die Darstellung von 1968 als "Gründungsmythos" den Bedürfnissen einer Reihe von überraschend heterogenen Gruppen entgegenkommt und dass sogar Versuche, den Mythos zu dekonstruieren, ihn stärken. Cornils bringt zum ersten Mal die historischen, literarischen und medialen Darstellungen der Bewegung zusammen und zeigt die Motivation und Wirkung von fast fünf Jahrzehnten des Schreibens über 1968.
Dabei hinterfragt Cornils die Art und Weise, wie 1968 instrumentalisiert wurde: als ein mächtiges Imaginäres, das jeden Aspekt des Lebens in Deutschland kolonisiert hat, und als symbolisches Kapital in kulturellen und politischen Debatten.
Ingo Cornils ist Professor für Germanistik an der Universität von Leeds.