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Fantasm and Fiction: On Textual Envisioning
Geistiges Bild, Traum, Phantasie, Halluzination - all dies wird im psychoanalytischen Begriff des Phantasmas zusammengefasst. Vielleicht wird nur ein so vielfältiger Begriff dem Spektrum der visuellen Elemente gerecht, die an der Erfahrung des Lesens oder des Schreibens von Belletristik beteiligt sind. Schon bald nach der Entstehung des Romans äußerten Ärzte die Befürchtung, dass die Leser von dem, was sie lesen, besessen sein könnten, dass sie von Textphantasmen heimgesucht würden. Zeitgenössische Autoren wie John Gardner, Maurice Blanchot und John Banville stellen diese Besessenheit als eine Art textuelles Träumen dar: Die Fiktion schöpft, wie der Traum, aus einem phantasmatischen Unbewussten.
Damit die Bilder des Lesers jedoch bewusst werden, müssen sie von einem materiellen Text durch Rahmungsstrategien und evokative Lücken angeregt werden. Dieses Buch analysiert die komplexe Beziehung zwischen der phantasmatischen Erfahrung und dem materiellen Text, indem es eine breite Palette von Werken - wie Calvinos Wenn in einer Winternacht ein Reisender, Coleridges "Kubla Khan", Sorrentinos "Mulligan Stew" und Rimbauds "Die Vokale" - liest, die explizit behandeln, was beim Lesen implizit ist.
Obwohl die spezifischen Bilder der einzelnen Leser nicht vorhergesagt werden können, kann man über die Art und Weise dieser Bilder spekulieren: sind sie fokussiert oder vernebelt, schematisch oder gefühlsbetont, flüchtig oder beständig? Dies sind Fragen nicht nur für Theoretiker, sondern auch für Künstler, die Textvisualisierungen sichtbar machen. Anhand von Künstlerbüchern, Randzeichnungen von Autoren und Filmen wie Prospero's Books, Fantasm and Fiction wird der Prozess der Textvisualisierung beleuchtet.
Anhand von Analysen der Fotografien von David Wojnarowicz, des Films Blue von Derek Jarman und des Romans Picture Theory von Nicole Brossard entwickelt der Autor darüber hinaus eine "Politik der Visualisierung". In dieser anregenden Studie erweist sich das Phantasma als ein entscheidender Aspekt nicht nur des Lesens, sondern jeder Art von Vergegenwärtigung.