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Childhood
Als eine der führenden Vertreterinnen des nouveau roman ist Nathalie Sarraute vor allem für ihre Romane bekannt, darunter Die goldenen Früchte, für die sie 1964 den Prix international de litterature erhielt.
Doch ihre sorgfältig ausgearbeiteten und eindrucksvollen Memoiren Kindheit sind vielleicht das zugänglichste und emotional offenste Werk Sarrautes. Geschrieben, als die Autorin dreiundachtzig Jahre alt war, aber nur die ersten zwölf Jahre ihres Lebens behandelnd, ist Kindheit als ein Dialog zwischen Sarraute und ihrer Erinnerung aufgebaut.
Behutsam befragt Sarraute ihre Gesprächspartnerin auf der Suche nach ihren eigenen Absichten, nach genauerer Genauigkeit, ja nach der Wahrheit. Ihre Beziehungen zu ihrer Mutter in Russland und ihrer Stiefmutter in Paris sind besonders herzzerreißend: Längst vergangene Handlungen werden von Sarraute so lange angestupst, bis sie den Anschein einer Tatsache erwecken und diesen mütterlichen Interaktionen eine neue, tiefere Bedeutung verleihen. Jede Vignette strotzt vor Details und zeigt die Macht der Erinnerung in Prosa, die abwechselnd lustig, traurig und poetisch ist.
Dieses Buch, das die Atmosphäre von Paris und Russland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einfängt, ohne dabei den lyrischen Stil von Sarrautes Romanen aufzugeben, hat sowohl für Liebhaber von Memoiren als auch von Belletristik viel zu bieten.