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Laboratories of Faith
In einem faszinierenden Moment der französischen Geistesgeschichte war das Interesse an okkulten Dingen nicht gleichbedeutend mit einer Ablehnung des wissenschaftlichen Denkens; die Teilnehmer an S ancen und magischen Ritualen waren sowohl auf der Suche nach experimentellen Daten als auch nach spiritueller Wahrheit. Ein junger Astronomiestudent schrieb über seine Suche: Ich befinde mich nicht in der Gegenwart oder unter dem Einfluss eines bösen Geistes: Ich studiere Spiritismus so wie ich Mathematik studiere. Er sah sich nicht als ekstatischen Visionär, sondern als nüchternen Beobachter. Für ihn war der abgedunkelte Raum der okkulten Praxis ebenso sehr Labor wie Kirche.
In einer eindrucksvollen Geschichte alternativer religiöser Praktiken in Frankreich in der zweiten Hälfte des neunzehnten und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erzählt John Warne Monroe die miteinander verknüpften Geschichten dreier Bewegungen - Mesmerismus, Spiritismus und Okkultismus. Die Anhänger dieser Gruppen, so Monroe, versuchten, den Glauben zu modernisieren, indem sie metaphysische Konzepte empirisch untermauerten. Anstatt sich auf theologische Spekulationen über die Natur der Seele zu verlassen, versuchten diese Gläubigen, durch mesmerische Experimente, Versuche und zeremonielle Magie greifbare Beweise zu sammeln. Zwar waren nur wenige Franzosen aktive Mesmeristen, Spiritisten oder Okkultisten, doch große Teile der gebildeten Öffentlichkeit waren mit diesen Bewegungen vertraut und betrachteten sie oft als faszinierende Ausdrucksformen der Moderne, die in bemerkenswertem Kontrast zum Katholizismus und säkularen Materialismus standen, der in ihrer Kultur vorherrschte.
Anhand von unheimlichen Geisterfotografien, amüsanten Lithografien von Daumier und einem posthumen Autogramm von Voltaire sowie umfangreicher dokumentarischer Belege vermittelt Laboratories of Faith den Lesern ein Gefühl dafür, wie sich die Teilnahme an einer Veranstaltung oder einem Ritual einer Geheimgesellschaft tatsächlich angefühlt haben könnte und warum diese Gefühle die Teilnehmer anzogen. Auch wenn sie die von ihnen angestrebte Transformation des menschlichen Bewusstseins nie erreicht haben, waren diese Denker und Gläubigen doch Wegbereiter für eine Art des Religiösen, die zu einem dauerhaften Bestandteil des westlichen kulturellen Vokabulars geworden ist.