
Oedipus Variations: Studies in Literature and Psychoanalysis
Ein tieferes, reichhaltigeres Porträt von Ödipus, der berühmtesten Figur der griechischen Tragödie und dem (unbewussten?!) Helden des Grundmythos der Psychoanalyse, von zwei Giganten auf dem Gebiet der Mythologie und Psychologie: dem bedeutenden Mythographen Karl Kernyi und dem Begründer der archetypischen Psychologie, James Hillman.
Kernyi erweitert den kulturellen Kontext des Ödipus-Mythos, indem er ungewöhnliche dramatische Versionen vorstellt, die in Rom, Paris, Wien und London gespielt wurden. Seine maßgeblichen und detaillierten Essays eröffnen auch dem Gelegenheitsleser wunderbare Einsichten.
Hillman nimmt es mit Vater Freud und seinem Ödipuskomplex auf (d. h., jeder Sohn will seinen Vater töten und seine Mutter heiraten). Er kehrt den Schwerpunkt um und fragt: Warum töten Väter ihre Söhne? Hillman schlägt auf brillante Weise vor, dass der Wahnsinn des Ödipus weniger in seinen offensichtlichen Verbrechen als vielmehr in seiner - und der Therapie - einseitigen Fokussierung auf das "Herausfinden" der eigenen wahren Identität durch die Erinnerung an die Vergangenheit liegen könnte.
Diese unerbittliche Suche nach Ödipus, um "sich selbst zu erkennen", begleitet uns immer noch, blendet uns immer noch und versucht immer noch, Menschen in der Therapie in Ödipus zu verwandeln. Doch Hillman zeigt uns auch, dass der Ödipus-Mythos neben Fluch, Mord, Inzest und Krankheit auch Schönheit, Segen, Liebe und Treue enthält.