Bewertung:

Eliot Borensteins „Overkill“ untersucht den dramatischen Wandel der russischen Populärkultur nach der Sowjetunion und konzentriert sich dabei auf die Themen Sex und Gewalt. Das Buch enthält eine anschauliche Analyse der Art und Weise, wie der Zusammenbruch des Sowjetregimes eine Flut zuvor unterdrückter Wünsche und kultureller Ausdrucksformen auslöste, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Identitätskrise der Russen in den 1990er Jahren liegt. Borenstein hat einen direkten und einnehmenden Schreibstil, der ernste Einsichten mit Humor verbindet und dem Leser die komplexe Geschichte zugänglich macht.
Vorteile:⬤ Fesselnder und humorvoller Schreibstil, der die komplexe kulturelle Analyse unterhaltsam macht.
⬤ Anschauliche und konkrete Beispiele verstärken die Stichhaltigkeit der Argumente.
⬤ Bietet tiefe Einblicke in die russische Identitätskrise nach der Sowjetunion.
⬤ Setzt sich erfolgreich mit dem Wandel der Popkultur in Bezug auf Sex und Gewalt auseinander.
⬤ Bietet einen Hintergrundkontext, der das Verständnis des Lesers fördert, auch für diejenigen, die mit der russischen Geschichte nicht vertraut sind.
⬤ Der Schwerpunkt des Buches auf Film und Literatur lässt möglicherweise wichtige kulturelle Elemente wie Musik außer Acht.
⬤ Die fehlende Diskussion über zeitgenössische Dissidentengruppen wie Pussy Riot könnte die Argumentation abschwächen.
⬤ Manche mögen die Betonung von Sex und Gewalt überwältigend oder sensationell finden.
(basierend auf 2 Leserbewertungen)
Overkill: Sex and Violence in Contemporary Russian Popular Culture
Die Perestroika und das Ende der Sowjetunion veränderten alle Aspekte des Lebens in Russland, und als die Hoffnung dem Pessimismus zu weichen begann, spiegelte die Populärkultur die Angst und Verzweiflung von immer mehr Russen wider. Zum ersten Mal in der Geschichte Russlands war die Populärkulturindustrie (Verlagswesen, Film und Fernsehen) frei von Zensur und begann, Werke zu verbreiten, die zunehmend explizite Bilder und Beschreibungen von Sex und Gewalt enthielten.
In Overkill erkundet Eliot Borenstein diese reißerische und oft verstörende Kulturlandschaft in einer genauen, fantasievollen Lektüre von Werken wie You're Just a Slut, My Dear! ( Ty prosto shliukha, dorogaia! ), einem Roman über sexuelle Sklaverei und illegale Organentnahme.
Die Nympho-Trilogie über eine gegen Tschetschenien kämpfende Sexsüchtige.
Und die Buch- und Filmreihen Mad Dog und Antikiller, die von den Heldentaten des russischen Rambo bzw. eines Attentäters erzählen, der im Namen der Gerechtigkeit tötet. Borenstein argumentiert, dass die in der Post-Perestroika-Ära konsumierten populären Kulturprodukte mehr als nur Ablenkung waren.
Sie ermöglichten es den Russen, ihre Verzweiflung über wirtschaftliche Probleme und alltägliche Bedrohungen zu stillen. Gleichzeitig schufen sie eine Vorstellung von Nationalismus oder Heldentum, die selbst unter den miserabelsten sozialen Bedingungen aufrechterhalten werden konnte, wenn sich die Konsumenten am machtlosesten fühlten.
Für Borenstein stellten die unzähligen Darstellungen von Abweichung in pornografischen und auch kriminellen Romanen mit ihren offenkundig übertriebenen und entsetzlichen Details des sozialen und moralischen Verfalls die Antwort der Populärkulturindustrie auf das ansonsten unvorstellbare Ausmaß des nationalen Zusammenbruchs in Russland dar. Das volle Ausmaß des Zusammenbruchs, so schreibt er, erforderte eine panoptische Sichtweise, die nur die Medien und die Kulturindustrie bereit waren, zu liefern, indem sie den nationalen Zusammenbruch zu einer Gesamterzählung zusammenfassten, die dann den meisten Menschen als Rahmen für das Verständnis ihres eigenen Leidens und ihrer eigenen Ängste zur Verfügung stand.