
Personal Names in Ancient Anatolia
Das antike Anatolien war eine Region, in der sich viele einheimische oder zumindest alteingesessene Völker mit zahlreichen Eroberern oder Neuankömmlingen vermischten: Perser, Griechen, Gallier, Römer, Juden. Die reiche und komplexe Geschichte kultureller Interaktion wird durch literarische Quellen nur sporadisch beleuchtet. Inschriften hingegen sind reichlich vorhanden und zeugen von weit über 100 000 namenstragenden Einwohnern. Viele dieser Namen haben einen regionalen Bezug und ermöglichen bei sorgfältiger Analyse die Wiedererlangung verlorener Geschichten und Mikrogeschichten.
Dieser Band nutzt die enormen sozial- und sprachgeschichtlichen Möglichkeiten, die sich durch die Ausweitung des Lexikons der griechischen Personennamen auf Anatolien ergeben. Ein Thema sind die Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen den Namensgebräuchen der Hethiter und Luwier im zweiten Jahrtausend v. Chr. und denen der griechisch-römischen Zeit. In mehreren Studien wird der Wandel der Namensgebung in bestimmten Regionen nachgezeichnet, der möglicherweise auf reale Veränderungen in der Bevölkerung zurückzuführen ist, doch wird auch die Notwendigkeit soziologischer Sensibilität betont, da der Wandel möglicherweise eher auf veränderte Selbstwahrnehmungen oder bevorzugte Selbstidentifikationen zurückzuführen ist.
Anhand des anatolischen Namensschatzes lässt sich auch die Psychologie der Namensgebung beleuchten, etwa der Aufstieg von Spitznamen in der Kinderstube zu Eigennamen (und ihr späterer Niedergang), die Faszination für exotische Luxusgüter, die in Namen wie Amethyst oder Smaragd zum Ausdruck kommt, oder die Mode der "Zweitnamen" bei der griechischsprachigen Elite. Der Band zeigt, dass die Erforschung von Namen ein "paradigmatischer Fall der Konvergenz von Disziplinen ist, wo Sprachgeschichte und Sozialgeschichte zusammentreffen", wie es heißt.