Bewertung:

Gertrud Kochs Buch bietet eine einzigartige und umfassende Einführung in das Leben und die Werke von Siegfried Kracauer und hebt seinen Einfluss auf die kritische Theorie und die Kulturwissenschaften hervor. Obwohl es eine wichtige Quelle für Leser ist, die sich für Kracauer interessieren, vermischt es gelegentlich einführende und spezialisierte Inhalte, was zu einigen unklaren Argumenten und einem übermäßig apologetischen Ton bezüglich seiner weniger bedeutenden Werke führt.
Vorteile:⬤ Einziges in englischer Sprache verfügbares Werk über Siegfried Kracauer.
⬤ Umfassende und tiefgehende Erforschung von Kracauers Beiträgen.
⬤ Hebt Kracauers Einfluss auf bedeutende Theoretiker und Disziplinen hervor.
⬤ Bietet wichtige Einblicke in die kritische Theorie, Soziologie und Kulturwissenschaften.
⬤ Manchmal ist unklar, ob es sich an allgemeine Leser oder an Spezialisten richtet.
⬤ Gelegentliche Übertreibung offensichtlicher Punkte und übertriebene Subtilität.
⬤ Übermäßig apologetischer Ton, der die Wirkung von Kracauers bestem Werk verwässern kann.
⬤ Es fehlt eine offene Diskussion über Kracauers zweideutige Sexualität.
(basierend auf 1 Leserbewertungen)
Siegfried Kracauer: An Introduction
Siegfried Kracauer wurde als naiver Realist missverstanden, als scharfsinniger Kritiker des frühen deutschen Films gewürdigt und als interessanter Exilant wahrgenommen, der mit Erwin Panofsky einen Briefwechsel führte. Am häufigsten wird er jedoch als der kauzige Onkel der berühmten kritischen Theoretiker der Frankfurter Schule, Jürgen Habermas, Theodor Adorno, Walter Benjamin und Max Horkheimer, angesehen. In jüngster Zeit jedoch haben Wissenschaftler in Kracauers Schriften einen Philosophen, Soziologen und Filmtheoretiker wiederentdeckt, der über seine Assoziationen hinaus von Bedeutung ist - und vielleicht einer der bedeutendsten Kulturkritiker des zwanzigsten Jahrhunderts. Gertrud Koch treibt diese Kracauer-Renaissance mit der ersten kritischen Würdigung seines Gesamtwerks voran.
Kochs Analyse, die prägnant ist, ohne auf Gründlichkeit oder Raffinesse zu verzichten, umfasst sowohl Kracauers bekannteste Publikationen (z. B. Von Caligari zu Hitler, in dem er die Wurzeln des Nationalsozialismus in den Filmen der Weimarer Republik aufspürt) als auch bisher untersuchte Texte, darunter zwei neu entdeckte autobiographische Romane. Da Kracauers breit gefächertes Werk keinem starren Einheitskonzept entspringt, sondern stets offen bleibt für ungewöhnliche und höchst individuelle Perspektiven, widersteht Koch der Versuchung, Verallgemeinerungen zu forcieren. Sie identifiziert jedoch wiederkehrende Tropen in Kracauers lebenslangem Bemühen, die Grundhaltung und Beschaffenheit bestimmter Kulturen durch deren visuelle Oberflächen wahrzunehmen. Koch findet in Kracauer auch einen überraschend zeitgenössischen Kulturkommentator, dessen Ideen sich direkt auf aktuelle Diskussionen über Film, urbane Moderne, Feminismus, kulturelle Repräsentation, Gewalt und andere Themen beziehen.
Dieses Buch wurde in Deutschland mit Spannung erwartet, und es wurde von vielen Seiten gut rezensiert. In den Vereinigten Staaten, wo Kracauer von 1941 bis zu seinem Tod 1966 lebte und schrieb, wird es nun zum ersten Mal ins Englische übersetzt und wird das ohnehin schon wachsende Interesse wecken. Es wird die Aufmerksamkeit von Studenten und Wissenschaftlern aus den Bereichen Filmwissenschaft, Germanistik, Vergleichende Literaturwissenschaft, Kritische Theorie, Kulturwissenschaft, Philosophie und Geschichte auf sich ziehen.