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On thinking with - scientists, Sciences, and Isabelle Stengers
In ihrem Vortrag mit dem Titel "Cosmopolitics: Learning to Think with Sciences, Peoples, Natures" fordert Isabelle Stengers uns auf, unsere Beziehung zur Welt neu zu überdenken: weg von einer anthropozentrischen Auffassung - eine ihrer Hauptkritikpunkte ist die Darstellung der Natur als "liebende Mutter", als ob wir ihre Nachkommen wären - hin zu einer Antwort "mit" der Unerkennbarkeit der Natur, in ihrer und unserer Vielfältigkeit.
Dieses Buch bietet eine Lektüre des Begriffs der Mutter und insbesondere der Frage, warum die Wissenschaft auf ihn angewiesen ist. In Abgrenzung zu Stengers' Vorstellung, dass das Familiäre, Vertraute - die Benennung - ein Versuch ist, die Natur zu zähmen, eröffnet diese Lesart die Möglichkeit, dass das Vertrauen der Wissenschaft auf die Entsprechung zwischen einem Begriff und einem Phänomen, auf die Legitimität und letztlich auf die Autorität - wobei hier alle Anklänge an den Vater mitschwingen - von der Figur der Mutter abhängt.
Eine Lektüre der Mutter enthüllt jedoch auch die mystischen Grundlagen der Vaterfigur der Wissenschaft, oder zumindest derjenigen, zu der die Wissenschaft geworden ist. Es geht also nicht so sehr darum, dass wir Mutter Natur widerrufen oder sie als antike Gaia umgestalten müssen (wie Stengers vorschlägt), sondern dass wir mehr denn je den Begriff der Mutter in seiner ganzen Tiefe ernst nehmen müssen. Und indem wir das tun, könnten wir vielleicht das Register wieder öffnen, das Friedrich Nietzsche uns nie ganz vergessen lässt: das des schwulen Wissenschaftlers - desjenigen, der alles testet, sogar den Test selbst.
Und im Geiste Nietzsches eröffnet das Buch eine Konversation mit Stengers über mehrere Kanäle: geschriebene Texte von Jeremy Fernando; Gemälde von Maureen Burdock; Mariane Klettenhofers Layout, das beide zusammenbringt und gleichzeitig ihre Singularität bewahrt. So entsteht ein Triptychon von Antworten, die alle unterschiedlich sind, aber immer auch mit Stengers zu tun haben, möglicherweise in dem Versuch, auf die von ihr geforderte Möglichkeit einer Gemeinschaft zu reagieren.