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Lost Time: On Remembering and Forgetting in Late Modern Culture
Welchen Stellenwert hat das Gedächtnis in der menschlichen Kultur? Genauer gesagt, welche Rolle sollte das Erinnern - und das Vergessen - in unserem täglichen Leben spielen? Dies sind die zentralen Fragen, die David Gross in diesem originellen und zum Nachdenken anregenden Buch behandelt. Jahrhundertelang, so Gross, galt das Erinnern nicht nur für die Aufrechterhaltung der Gesellschaft, sondern auch für die Aufrechterhaltung der individuellen Existenz als wesentlich.
Das Überleben hing oft von der Erinnerung daran ab, wie bestimmte Aufgaben zu erfüllen waren, welche Werte zu ehren waren und welche persönliche oder kollektive Identität man annehmen sollte. Das Erinnern, kurz gesagt, stellte den Kontakt zu den Dingen her, auf die es ankam, und verhalf zu Ganzheit und Weisheit. Vergessen hingegen führte zu Leere, Unwissenheit und Tod.
Mit dem Aufkommen der Moderne wuchsen jedoch die Zweifel am Wert des Gedächtnisses, während die negativen Auswirkungen des Vergessens neu bewertet wurden. In vielen Kreisen wurde das Vergessen verteidigt, weil es uns von der Vergangenheit befreit und die Tür zu neuen Wahrnehmungen, neuen Möglichkeiten und neuen Anfängen öffnet.
Jetzt, in der Spätmoderne, so Gross, befinden wir uns in einer noch nie dagewesenen Situation. Zum ersten Mal in der Geschichte sind wir in der Lage, ohne den Druck sozialer oder kultureller Zwänge zu entscheiden, ob wir uns erinnern oder vergessen wollen, und unser Leben entsprechend zu leben.
Doch was ist die bessere Wahl? Sollen wir unser Leben auf den Bedeutungen und Werten einer verblichenen Vergangenheit aufbauen? Wenn ja, woran sollten wir uns erinnern, und zu welchem Zweck? Oder sollten wir uns stattdessen dafür entscheiden, die Vergangenheit zu vergessen und unsere Aufmerksamkeit auf die Gegenwart und die Zukunft zu richten, um uns selbst und die Welt, die wir bewohnen, immer wieder neu zu erfinden? Laut Gross werden unsere Antworten auf diese Fragen nicht nur bestimmen, wer wir sind, sondern auch, was wir werden, wenn wir von der Spätmoderne in die Terra incognita der "Postmoderne" übergehen.