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From Shame to Sin: The Christian Transformation of Sexual Morality in Late Antiquity
In der Blütezeit Roms wurde die männliche Geliebte eines Kaisers, die einem frühen Tod zum Opfer gefallen war, im ganzen Reich wie ein Gott verehrt. In der gleichen Gesellschaft wurde die routinemäßige sexuelle Ausbeutung armer und versklavter Frauen durch öffentliche Einrichtungen gefördert.
Vier Jahrhunderte später ordnete ein römischer Kaiser die Verstümmelung von Männern an, die in gleichgeschlechtliche Affären verwickelt waren, während er gleichzeitig die moralische Würde von Frauen bekräftigte, die keinen Anspruch auf bürgerliche Ehre hatten. Die allmähliche Umwandlung der römischen Welt vom Polytheismus zum Christentum markiert einen der tiefgreifendsten ideologischen Veränderungen der vormodernen Geschichte. Im Mittelpunkt stand dabei die Sexualität.
Anhand von Quellen aus Literatur, Philosophie und Kunst untersucht Kyle Harper den Aufstieg des Christentums als Wendepunkt in der Geschichte der Sexualität und hilft uns zu erkennen, wie die Wurzeln der modernen Sexualität in einer antiken religiösen Revolution begründet sind. Die römische Sexualkultur war zwar offen und frei erotisch, aber sie war nicht völlig frei von Zwängen.
Verstöße gegen die Sexualmoral waren ein Grund zur Scham und wurden gesellschaftlich verurteilt. Mit dem Aufkommen des Christentums änderte sich die Ethik des Sexualverhaltens grundlegend. Das göttliche Urteil in Fragen der Moral ging über das der Sterblichen hinaus, und die Scham - ein soziales Konzept - wich dem theologischen Begriff der Sünde.
Dieses veränderte Verständnis führte zu den ausdrücklichen Verboten von Homosexualität, außerehelicher Liebe und Prostitution im Christentum. Am tiefgreifendsten war jedoch das Auftauchen der Idee des freien Willens im christlichen Dogma, das alle menschlichen Handlungen, einschließlich des Sexualverhaltens, der geistigen und nicht der physischen Welt zuordnete.