Bewertung:

Das Buch bietet eine beunruhigende und aufschlussreiche Analyse der nationalsozialistischen Ärzteschaft und ihrer Mitschuld an den Völkermorden im Zweiten Weltkrieg. Es bietet einen historischen Kontext und persönliche Berichte, ist jedoch aufgrund seines grafischen Inhalts und seiner Komplexität eher für ein Fachpublikum als für allgemeine Leser geeignet.
Vorteile:⬤ Bietet eine gründliche Untersuchung der völkermörderischen Mentalität der NS-Ärzte.
⬤ Enthält wichtige historische Tagebücher und Berichte, die dem Buch Tiefe verleihen.
⬤ Wirft kritische ethische Fragen zum medizinischen Verhalten während des Nazi-Regimes auf.
⬤ Wertvoll für Forscher und diejenigen, die ein besonderes Interesse an der Geschichte des Nationalsozialismus und der Medizin haben.
⬤ Beunruhigende und grafische Inhalte sind möglicherweise nicht für alle Leser geeignet.
⬤ Erfordert einige Vorkenntnisse zum Thema, um die dargestellten komplexen Zusammenhänge zu verstehen.
⬤ Im Vergleich zu anderen Werken über die NS-Medizin fehlt eine umfassende Darstellung, die sich mehr auf psychiatrische Aspekte als auf experimentelle Details konzentriert.
(basierend auf 8 Leserbewertungen)
Cleansing the Fatherland: Nazi Medicine and Racial Hygiene
"Die Kapitel in diesem Band machen auf schmerzhafte Weise deutlich, dass in Deutschland die Lehren aus dem Dritten Reich noch nicht gezogen worden sind... Diese bedeutenden Versuche jüngerer Rekruten des größeren medizinischen Establishments, die Dinge durch augenöffnende Reflexion und Analyse zu ändern, wie unbequem sie auch sein mögen, bedürfen der Unterstützung"--Michael H. Kater, Autor von Ärzte unter Hitler, im Vorwort.
Die berüchtigten Nürnberger Ärzteprozesse von 1946-47 deckten entsetzliche Verbrechen - von grotesken medizinischen Experimenten an Menschen bis hin zu Massenmord - auf, die von Ärzten und anderen im Gesundheitswesen tätigen Personen in Nazi-Deutschland begangen wurden. Doch weitaus häufiger, so argumentieren die Autoren von Cleansing the Fatherland, waren die Ärzte, die beruflich und finanziell von den Tötungen profitierten, aber nie zur Rechenschaft gezogen wurden - und sogar von Kollegen in deutschen medizinischen Nachkriegsorganisationen aktiv geschützt wurden.
Die Autoren untersuchen die Rolle der deutschen Ärzte bei so berüchtigten Operationen wie dem Euthanasieprogramm "T 4" (benannt nach der Berliner Adresse der Zentrale in der Tiergartenstraße 4). Sie enthüllen auch Details von zahllosen weniger bekannten Tötungen - alle von Ärzten angeordnet und alle im Namen der öffentlichen Gesundheit. Unangepasste Jugendliche, Behinderte, ausländische Arbeiter, die zu krank waren, um zu arbeiten, und sogar deutsche Zivilisten, die nach Luftangriffen psychische Zusammenbrüche erlitten, wurden "zur Behandlung ausgewählt". (Ein Arzt, der beharrlich von "Tötungen" sprach, wurde offiziell für seine "negative Einstellung" gerügt.)
Das Buch enthält auch Originaldokumente - die noch nie in englischer Sprache veröffentlicht wurden -, die einen einzigartigen und erschreckenden Einblick in die alltägliche Arbeit der Nazi-Medizin geben. Darunter:
- Protokoll einer Sitzung der Deutschen Bürgermeisterkonferenz von 1940, in dem ein Nazi-Beamter den versammelten Politikern detaillierte Anweisungen für die geheime Beerdigung ermordeter Geisteskranker gibt.
- Ein Fragebogen aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus, den der Leiter einer staatlichen psychiatrischen Anstalt an die Eltern behinderter Kinder verschickte. (Beispielfrage: "Würden Sie einer schmerzlosen Verkürzung des Lebens Ihres Kindes zustimmen, nachdem ein Sachverständiger es als unheilbar schwachsinnig eingestuft hat? "Antwortbeispiel: "Ja, aber ich möchte es lieber nicht wissen.")
- Das Tagebuch von Dr. Hermann Voss, Chefanatom an der Reichsuniversität Posen (und später ein hoch angesehener Arzt im Nachkriegsdeutschland), der sich an den blühenden Blumen vor seinem Fenster erfreut und sich Sorgen macht, dass der Überbestand an polnischen Leichen von seinen Gestapo-Lieferanten seinen Krematoriumsofen zum Zusammenbruch bringen könnte.
- Briefe von Dr. Friedrich Mennecke, dem Direktor der berüchtigten Eichberg-Klinik, der mit süßlicher Sentimentalität an seine Frau schreibt, die er "Mutti" nennt, und beiläufig von Besuchen in Konzentrationslagern berichtet, um "Patienten" für den Tod auszuwählen.
Heute, da die Berichte über das Massensterben in Europa wieder unter dem Aspekt der öffentlichen Hygiene betrachtet werden und die Euthanasie im US-Fernsehen befürwortet - ja sogar bejubelt - wird, ist die Relevanz dessen, was Michael H. Kater hier "die Lehren aus dem Dritten Reich" nennt, vielleicht größer denn je. Vor diesem Hintergrund sendet "Cleansing the Fatherland" eine deutliche Botschaft, die nur schwer zu ignorieren ist.