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Formative Fictions: Nationalism, Cosmopolitanism, and the Bildungsroman
Der Bildungsroman hat in der Literaturwissenschaft lange Zeit ein paradoxes Dasein geführt, da er sowohl als ein spezifisch deutsches Genre, als Markierung der kulturellen Differenz dieses Landes zu Westeuropa, als auch als universeller Ausdruck der Moderne verstanden wurde. In Formative Fictions argumentiert Tobias Boes, dass der doppelte Status des Bildungsromans diese Romanform zu einem eleganten Mittel macht, um die divergierenden kritischen Diskurse über National- und Weltliteratur zu verhandeln.
Seit dem späten 18. Jahrhundert haben Autoren die Geschichte der Reise eines Protagonisten in die Reife als ein mächtiges Instrument eingesetzt, um die Bildung nationaler Gemeinschaften unter ihren Lesern zu fördern. Solche Versuche stoßen immer wieder auf das, was Boes "kosmopolitische Reste" nennt, Identitätsansprüche, die sich der vom Nationalismus angestrebten Schließung im normativen Regime des Nationalstaates widersetzen. Diese kosmopolitischen Reste sind für die merkwürdig zögerlichen Enden so vieler Bildungsromane verantwortlich.
In Formative Fictions legt Boes Lesarten einer Reihe von Romanen vor - darunter Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre, Karl Leberecht Immermanns Die Epigonen, Gustav Freytags Soll und Haben, Alfred Dblins Berlin Alexanderplatz und Thomas Manns Doktor Faustus -, die seit jeher als besonders "deutsch" empfunden werden, und vergleicht sie mit Romanen von Autoren wie George Eliot und James Joyce, um zu zeigen, dass das, was als Marker nationaler Besonderheit erscheint, produktiv als Themen der Weltliteratur gelesen werden kann.