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Graveyard of Bitter Oranges
1979 tauchte Josef Winkler wie aus dem Nichts am literarischen Horizont auf und erntete zahlreiche Auszeichnungen und das Lob der prominentesten kritischen Stimmen in Deutschland und Österreich.
In den 1980er Jahren schilderte er in einer Reihe von immer schärferen und halluzinatorischen Romanen die Bösartigkeit, die Ausschweifung und den ungebildeten Nationalsozialismus, die das österreichische Dorfleben prägen. Am Ende des Jahrzehnts verließ er aus Angst vor der Stille, die immer auf der Schulter des Schriftstellers lauert, die Hölle Österreichs und zog nach Rom: nicht um zu fliehen, sondern um der Dunkelheit näher zu kommen.
Dort verbringt er seine Tage und Nächte unter den Junkies, Mietern, Zigeunern und Transsexuellen, die sich um die Stazione Termini und die Piazza dei Cinquecento versammeln, sowie auf den Friedhöfen und in den Kirchen, wo seine blasphemischen Träumereien die heiligsten Rituale obszön erscheinen lassen. Er reist in den Süden, nach Neapel und Palermo, und schreibt seine Alpträume und Erinnerungen sowie alles, was er sieht und liest, nieder. Wie Rimbaud betreibt er eine rationale Sinnestäuschung, die jedoch darauf abzielt, Kirche und Staat und das Elend, das sie im Leben der Unterdrückten anrichten, schonungslos zu verurteilen.
Der Roman, der zu gleichen Teilen Memoiren, Traumtagebuch und Skandalblatt ist, ist, in den Worten des Autors, ein Käfig, der um das Grauen gezogen wird. Das Schreiben ist hier ein Akt des Gedenkens und der Erlösung, ein Sammeln der Gebeine der vergessenen Toten und der von der Gesellschaft Ausgestoßenen und Angespuckten, ihre Weihe in der Kunst und ihre endgültige Rückführung auf den titelgebenden Friedhof des Buches.