
Incest and Agency in Elizabeth's England
Maureen Quilligan erforscht die bemerkenswerte Präsenz von, wie sie es nennt, "Inzestschemata" in den Büchern einer kleinen Anzahl einflussreicher Frauen in der Renaissance, die eine aktive weibliche Autorität beanspruchten, indem sie in hochkanonischen Genres schrieben, und die, was für die damalige Zeit noch transgressiver war, eine Veröffentlichung im Druck anstrebten.
Für Quilligan ist es kein Zufall, dass das erste gedruckte Werk von Elisabeth I. eine im Alter von elf Jahren angefertigte Übersetzung eines Gedichts von Marguerite de Navarre war, in dem die Vorstellung von "heiligem" Inzest die vorherrschende Trope ist. Es ist auch kein Zufall, dass Mary Wroth, die Autorin des ersten in englischer Sprache gedruckten Sonettenzyklus und Prosaromans einer Frau, darin eine endogame, wenn auch nicht rechtlich inzestuöse, uneheliche Beziehung zu ihrem Cousin ersten Grades beschreibt. Sir Philip Sidney und seine Schwester, die Gräfin von Pembroke, übersetzten gemeinsam die Psalmen, und nach seinem Tod vollendete sie sein Werk, indem sie es für die Veröffentlichung überarbeitete; die beiden waren Gegenstand von Gerüchten über Inzest. Isabella Whitney hat eines ihrer wichtigsten Langgedichte als fiktives Vermächtnis an ihren Bruder verfasst, wohl weil in einer solchen Beziehung die Macht der endogamen weiblichen Handlungsfähigkeit mitschwingt. Elizabeth Careys heimliches Drama über Mariam, die Frau des Herodes, widmet der Verbindung zwischen Schwester und Bruder viel Energie. Quilligan liest auch von Männern verfasste Meditationen über die Beziehung zwischen Inzest und weiblicher Handlungsfähigkeit und sieht in Cordelia, Britomart und Eva etwas ganz anderes als das, was sich die traditionelle Forschung bisher vorgestellt hat.
Incest and Agency in Elizabeth's England leistet einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über die weibliche Handlungsfähigkeit in der frühen Neuzeit. Während die zeitgenössische anthropologische Theorie ihr Verständnis dafür, warum einige Schriftstellerinnen der Renaissance so schrieben, wie sie es taten, zutiefst prägt, bietet Quilligan ein wichtiges Korrektiv zur modernen Theoriebildung, das sich auf die historischen Texte selbst stützt.