
Sociology as Political Education: Karl Mannheim in the University
Den deutschen Professoren und akademischen Intellektuellen wird oft Passivität oder Mitschuld an der nationalsozialistischen Machtergreifung vorgeworfen. Karl Mannheim war ein führender Vertreter einer vitalen Minderheit von Universitätspersönlichkeiten, die sich dafür einsetzten, dass Soziologie und Hochschulbildung einen Beitrag zur Demokratisierung leisteten. Soziologie als politische Bildung ist sowohl eine analytische Darstellung von Mannheims Bemühungen als auch ein Beispiel für die Anwendung soziologischer Erkenntnisse in der Welt des praktischen Handelns. Zusammen mit einem zweiten biographischen Band der Herausgeber, der in der nächsten Saison erscheinen wird, bildet es eine vollständige Darstellung Karl Mannheims im universitären Leben der Weimarer Zeit.
Die vergleichsweise neue Disziplin der Soziologie wurde von den Hochschulreformern der Weimarer Republik mit Wohlwollen betrachtet. Bei der Förderung ihrer Methoden musste sich Mannheim zunächst mit prominenten und einflussreichen Persönlichkeiten auseinandersetzen, die die Soziologie als bloßes politisches Instrument zur Untergrabung kultureller und nationaler Werte zugunsten enger Interessen und Parteinahme angriffen. Dann musste er sich mit den Einwänden von Soziologenkollegen auseinandersetzen, die davon überzeugt waren, dass die Disziplin nur als Fachgebiet ohne Anspruch auf Bildungsziele jenseits der technischen Reproduktion gedeihen könne. Schließlich musste er sich von den Verfechtern einer politisierten Soziologie abgrenzen. Soziologisches Denken sollte streng, kritisch und evidenzbasiert sein, aber, so argumentierte Mannheim, sein System musste offen und kongruent mit der letztendlichen Verantwortung der Menschen für ihre Handlungen sein.
Loader und Kettler ergänzen Mannheims bahnbrechenden Band mit bisher nicht übersetzten Mannheimer Texten, darunter eine Mitschrift seines Soziologiekurses von 1930, in der Mannheim seinen Kritikern antwortet und seine Absichten klarstellt. Soziologie als politische Bildung ist nicht nur von historischer Bedeutung, sondern zeigt auch die Relevanz Mannheims für aktuelle Diskussionen um akademische Integrität und Politisierung. Der Band wird für Soziologen, Kulturhistoriker und Politikwissenschaftler von Interesse sein.