Bewertung:

Das Buch ist ein umfassendes Nachschlagewerk, das verschiedene Volksmärchen des Nahen Ostens behandelt, die nach Themen und Motiven geordnet sind, anstatt die vollständigen Texte der Märchen zu präsentieren. Es dient als wertvolle Ressource für das Verständnis von ATU-Märchenarten, die für die Region spezifisch sind, mit gründlichen Kapiteln und umfangreichen Referenzen.
Vorteile:Das Buch ist gut strukturiert mit Kapiteln, die den verschiedenen ATU-Märchentypen gewidmet sind, und bietet selbst für diejenigen, die mit den Märchen vertraut sind, neue Informationen. Es füllt eine bedeutende Lücke in den englischsprachigen Quellen zur Volkskunde des Nahen Ostens und bietet ein umfangreiches Literaturverzeichnis für weitere Lektüre. Der Autor verfügt über bemerkenswerte Fachkenntnisse im Bereich der Volkskunde.
Nachteile:Das Buch enthält keine vollständigen Märchentexte, was Leser, die nach tatsächlichen Geschichten suchen, enttäuschen könnte. Auch der Umfang des Buches (über 700 Seiten) könnte für manche Leser entmutigend sein.
(basierend auf 1 Leserbewertungen)
101 Middle Eastern Tales and Their Impact on Western Oral Tradition
Vor dem methodischen Hintergrund der historischen und vergleichenden volkstümlichen Erzählforschung untersucht 101 Middle Eastern Tales and Their Impact on Western Oral Tradition die Geschichte, Verbreitung und Charakteristika von mehr als hundert Erzählungen, die aus oder durch die muslimischen Literaturen des Nahen Ostens (d. h.
geschriebene Werke in Arabisch, Persisch und osmanischem Türkisch) in die westliche Tradition übertragen wurden. Für die Aufnahme einer Erzählung hat Ulrich Marzolph zwei Kriterien berücksichtigt: Die Erzählung muss aus einer nahöstlichen Quelle stammen oder zumindest von ihr überliefert worden sein, und sie muss von einem westlichen Erzähler im Laufe des neunzehnten oder zwanzigsten Jahrhunderts mündlich überliefert worden sein. Der Grund für diese restriktiven Definitionen liegt in Marzolphs Hauptinteresse an der lang anhaltenden Wirkung, die einige der „orientalischen“ Erzählungen in der westlichen Volkstradition ausübten - jene Erzählungen, die den Test der Zeit überstanden haben.
Marzolph konzentriert sich auf die ursprünglich "orientalischen" Erzählungen, die zum festen Bestandteil der modernen westlichen mündlichen Überlieferung wurden. Seit der Antike stellt der "Orient" das schlechthin Andere gegenüber den europäischen Kulturen dar.
Die Abgrenzung von diesem Anderen diente der Selbstdefinition und -vergewisserung, aber der "Orient" war auch eine ständige Quelle der Faszination, Anziehung und Inspiration. Durch mündliche Überlieferungen wurden zahlreiche Geschichten aus der muslimischen Tradition zu einem integralen Bestandteil der europäischen mündlichen und schriftlichen Überlieferung in Form von gelehrten Traktaten, mittelalterlichen Predigten, spätmittelalterlichen fabliaux, frühneuzeitlichen Kapuzenbüchern, zeitgenössischen Zeitschriften und mehr.
In der heutigen Zeit, in der der nationale Narzissmus oft den Status eines Bollwerks erlangt, das das "Wir" gegen das "Andere" abgrenzt, ist es unerlässlich, das Ausmaß, in dem der Westen nicht nur der muslimischen Welt verpflichtet ist, sondern auch gemeinsame Merkmale mit der muslimischen Erzähltradition teilt, zu erkennen, zu dokumentieren, zu visualisieren und zu diskutieren. 101 Middle Eastern Tales and Their Impact on Western Oral Tradition ist ein wichtiger Beitrag zu dieser Debatte und ein unverzichtbares Werk für Wissenschaftler, Studenten und Leser von Folklore und Märchen.