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Twilight of History
Der gefeierte und umstrittene Historiker wirft einen kritischen Blick auf die heutige Geschichtsschreibung
Bei seinem Erscheinen im Jahr 2009 löste Shlomo Sands Buch Die Erfindung des jüdischen Volkes einen Sturm der Entrüstung aus. Seine entmystifizierende Herangehensweise an die nationalistische und zionistische Geschichtsschreibung rief bei anderen professionellen Historikern viel Kritik, aber auch Lob hervor. Der Aufruhr verschaffte ihm eine privilegierte Position, um über seine akademische Disziplin nachzudenken, worüber er hier in Twilight of History nachdenkt.
Auf der Grundlage seiner vier Jahrzehnte währenden Tätigkeit auf diesem Gebiet wirft Sand einen Blick über den Tellerrand und hinterfragt die Geschichtswissenschaft, deren Ursprung in der Notwendigkeit einer nationalen Ideologie liegt. In den letzten Jahrzehnten hat die traditionelle Geschichte begonnen, sich zu zersplittern, aber nur, um eine neue Rolle für Historiker als Priester des offiziellen Gedächtnisses zu schaffen. Die Arbeit in Israel hat Sands Blick geschärft, da die Rolle der Geschichte als nationaler Mythos in einem Land, in dem die Bibel als Quelle historischer Tatsachen behandelt wird, besonders hervorsticht. Er stellt Fragen wie: Ist jede historische Erzählung ideologisch geprägt? Beeinflussen politische Vorgaben und staatliche Macht die historische Forschung und Lehre übermäßig? Und kann es unter solchen Bedingungen eine moralisch neutrale und "wissenschaftliche" Wahrheit geben?
Trotz seiner scharfen Kritik an der akademischen Geschichtswissenschaft möchte Sand immer noch daran glauben, dass die Vergangenheit ohne Mythen verstanden werden kann, und findet in den Arbeiten von Max Weber und Georges Sorel Grund zur Hoffnung.