Bewertung:

Das Buch bietet eine eingehende wissenschaftliche Analyse der sexualisierten Gewalt und der Wahrnehmung von Frauen während der Weimarer Republik in Deutschland. Es beleuchtet die historische Frauenfeindlichkeit durch verstörende Kunstwerke und bietet eine einzigartige Perspektive auf diese chaotische Zeit. Aufgrund seines akademischen Charakters und Schwerpunkts kann es jedoch für Gelegenheitsleser eine Herausforderung darstellen.
Vorteile:⬤ Augenöffnende Darstellung der historischen Frauenfeindlichkeit
⬤ gut recherchiert und mit neuen Perspektiven
⬤ aufschlussreich für das Verständnis des kulturellen Kontextes von Weimar-Deutschland
⬤ enthält verstörende, aber bedeutsame Kunstwerke
⬤ trotz des akademischen Charakters zugänglich für alle, die sich für Geschichte interessieren.
⬤ Nicht für Gelegenheitsleser geeignet
⬤ mangelnder Fokus auf wahre Verbrecher wie Kurten und Haarmann
⬤ einige Leser finden den Text ermüdend und abschweifend
⬤ Argumente können als nicht schlüssig empfunden werden und konzentrieren sich zu sehr auf die Erfahrungen von Frauen auf Kosten eines breiteren Kontextes.
(basierend auf 5 Leserbewertungen)
Lustmord: Sexual Murder in Weimar Germany
In einem Buch, das sich mit der Besessenheit unserer Gesellschaft von sexueller Gewalt auseinandersetzt, sucht Maria Tatar nach der Bedeutung hinter einem der verstörendsten Bilder der westlichen Kultur des 20. Jahrhunderts: die vergewaltigte weibliche Leiche. Dieses Bild ist in Malerei, Literatur, Film und neuerdings auch in den Massenmedien so weit verbreitet, dass wir selten hinterfragen, was bei seiner Darstellung auf dem Spiel steht. Tatar fordert uns jedoch auf, darüber nachzudenken, was - sowohl künstlerisch als auch gesellschaftlich - in der Konstruktion und Verbreitung von Szenen, die Sexualmord darstellen, vor sich geht. Indem sie Bilder von Sexualmorden (Lustmord) untersucht, legt sie eine fesselnde Studie darüber vor, wie sich Kunst und Mord in der Sexualpolitik der Kultur von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart überschnitten haben.
Tatar lenkt die Aufmerksamkeit auf die politisch turbulente Weimarer Republik, die oft als Geburtsstätte einer transgressiven Avantgarde-Moderne angesehen wird und in der Darstellungen weiblicher sexueller Verstümmelung weit verbreitet sind. Hier entfaltet sich eine aufschlussreiche Episode in der Geschlechterpolitik der kulturellen Produktion, als männliche Künstler und Schriftsteller, die in einer Gesellschaft arbeiten, die von der Angst vor äußeren Bedrohungen zerfressen ist, Frauen als Feinde betrachten, die durch transzendenten künstlerischen Ausdruck eingedämmt und beherrscht werden können. Tatar zeigt nicht nur, dass männliche Künstler sich offen mit realen Sexualmördern identifizierten - George Grosz posierte als Jack the Ripper auf einem Foto, auf dem sein Modell und seine zukünftige Ehefrau das Ziel seines Messers war -, sondern sie zeigt auch die Art und Weise, wie die Opfer verleugnet und ausgelöscht wurden.
Tatar analysiert zunächst tatsächliche Fälle von Sexualmord, die im Weimarer Deutschland ein breites öffentliches Interesse erregten. Anschließend untersucht sie, wie die Darstellung ermordeter Frauen in visuellen und literarischen Werken als Strategie zur Bewältigung sozialer und sexueller Ängste funktioniert, und zeigt, wie Gewalt gegen Frauen mit dem Kriegstrauma, mit urbanen Pathologien und mit der Politik der kulturellen Produktion und biologischen Reproduktion in Verbindung gebracht werden kann.
Bei der Untersuchung des komplexen Verhältnisses zwischen Opfer und Täter in Fällen von Sexualmord erklärt Tatar, wie es zur Destabilisierung und Umkehrung der Rollen kam und der Täter zu einem wehrlosen Opfer des verführerischen Bösen wurde. Überall im Westen werden auch heute noch ähnliche ideologische Konstruktionen in Gesellschaften geschaffen, die erst vor kurzem damit begonnen haben, die Stimmen der Opfer anzuerkennen. Maria Tatars Buch eröffnet eine wichtige Diskussion für Leser, die die Kräfte hinter sexueller Gewalt und ihrer Darstellung in den kulturellen Medien in diesem Jahrhundert verstehen wollen.