
Couch City: Socrates Against Simonides
Als Krönung von sechs Jahrzehnten literarischer, rhetorischer und historischer Forschung bietet Harry Berger, Jr. dem Leser eine weitere pointierte Lektüre. Berger untergräbt die üblichen Interpretationen von Platons kalos kagathos, indem er zeigt, dass Sokrates in einem doppelten Bauchrednerdasein gefangen ist, gefesselt an die Sprechakte seiner Gesprächspartner, so wie diese an seine eigenen gefesselt sind.
Sowohl in Platons Republik als auch im Protagoras wird einem Dichter, der sich von Homer und Hesiod unterscheidet, ein kleiner, aber wichtiger Platz eingeräumt: dem Lyriker Simonides von Keos. Im Protagoras nimmt Sokrates ein Simonides zugeschriebenes Gedicht auseinander und benutzt es, um den berühmten und angeblich gefährlichen Sophisten Protagoras fertig zu machen. Couch City ist eine genaue Lektüre der komischen Verfahren, die Sokrates gegen Protagoras einsetzt, um ihn zum Schweigen zu bringen. Sie zeigt aber auch, dass Sokrates die Gefahr, die von Protagoras und seinen Mitsophisten ausgeht, ernst nimmt. Auch wenn sie als Possenreißer dargestellt werden, gehören die Sophisten zu den charismatischen Autoritätspersonen - Dichter, Rhapsoden, Seher, Redner und Gesetzgeber -, die Ansichten vertreten, die der athenischen Demokratie schaden. Sokrates benutzt Simonides' Gedicht, um zu zeigen, dass die Sophisten nicht nur Fehlinterpretationen praktizieren, sondern auch unfähig sind, sich dagegen zu verteidigen.
Berger bringt seine Wurzeln als bahnbrechender Literaturtheoretiker in diese rhetorische Diskussion ein, indem er Ideen wie die Sprechakttheorie mit knallharter Philologie abwägt. Das Ergebnis ist eine provokante und kontraintuitive Neubewertung von Platons Auseinandersetzung mit der Demokratie.