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Holy Feast and Holy Fast, 1: The Religious Significance of Food to Medieval Women
In der Zeit zwischen 1200 und 1500 wurde in Westeuropa eine Reihe von Ordensfrauen wegen ihrer außergewöhnlichen Hingabe an die christliche Eucharistie, der übernatürlichen Vermehrung von Speisen und Getränken und der Wunder körperlicher Manipulationen, einschließlich Stigmata und Inedia (Leben ohne Essen), weithin verehrt und sogar heiliggesprochen. Das Auftreten solcher Phänomene wirft viel Licht auf das Wesen der mittelalterlichen Gesellschaft und der mittelalterlichen Religion. Sie bilden auch ein Kapitel in der Geschichte der Frauen.
Frühere Wissenschaftler haben die verschiedenen Phänomene gelegentlich isoliert voneinander betrachtet und manchmal moderne medizinische oder psychologische Theorien auf sie angewandt. Anhand von Materialien aus dem Leben von Heiligen und den religiösen und mystischen Schriften mittelalterlicher Frauen und Männer deckt Caroline Walker Bynum das Muster auf, das hinter diesen Aspekten der weiblichen Religiosität und hinter der Faszination steht, die Männer und Frauen für solche Wunder und Andachtspraktiken empfanden. Sie argumentiert, dass das Essen im Mittelpunkt der weiblichen Frömmigkeit steht. Frauen verzichteten durch Fasten auf gewöhnliche Nahrung, um sich auf den Empfang der außergewöhnlichen Nahrung in der Eucharistie vorzubereiten. Auch boten sie sich selbst als Nahrung an, indem sie Wunder der Ernährung und der körperlichen Manipulation vollbrachten.
Mit funktionalistischen und phänomenologischen Erklärungen untersucht Bynum die Art und Weise, in der die Essenspraktiken den Frauen ermöglichten, innerhalb der Familie Kontrolle auszuüben und ihre religiösen Berufungen zu definieren. Sie beschreibt auch, was Frauen meinten, wenn sie ihren eigenen Körper und Gottes Körper als Nahrung betrachteten, und was Männer meinten, wenn sie Frauen ebenfalls mit Nahrung und Fleisch assoziierten. Die Interpretation der Autorin über die Frömmigkeit der Frauen bietet eine neue Sicht auf das Wesen der mittelalterlichen Askese, und unter Rückgriff auf die Anthropologie und die feministische Theorie beleuchtet sie die besonderen Merkmale des Symbolgebrauchs der Frauen. Indem sie die gegenwärtigen Interpretationen von Frauen als ausgebeutet oder masochistisch zurückweist, zeigt sie die Macht und Kreativität des Schreibens und des Lebens von Frauen.