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Walter Benjamin and the Corpus of Autobiography
Obwohl Walter Benjamin (1892-1940) als einer der bedeutendsten Schriftsteller und Theoretiker der westlichen Kultur des 20. Jahrhunderts gilt, hat sich sein rätselhafter Sinn für das Politische einer Definition entzogen. Vor allem sein Spätwerk ist eine fortwährende, aber wenig verstandene Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus.
Gerhard Richter zeigt, dass Benjamins Auseinandersetzung mit dem Politischen nicht im Sinne einheitlicher Konzepte und vollständig ableitbarer Thesen verstanden werden kann, die sich leicht überprüfen oder widerlegen lassen. Anstatt sein Verständnis des Politischen zu erklären, setzt Benjamin es in der Bewegung seiner Sprache um. Richter spürt Benjamins radikalen Vorstellungen vom Politischen anhand einer Reihe von körperlichen Figuren in seinen oft vernachlässigten autobiografischen Schriften nach - dem Moskauer Tagebuch, der Berliner Chronik und der Berliner Kindheit um 1900. Jeder Text mobilisiert auf subtile Weise eine andere Trope der Anatomie: den Körper, das Ohr und das Auge. Richter ordnet diese Figuren in ein weites Netz von Bezügen aus Benjamins Werk ein und zeigt, dass Benjamins innovative Akte der Selbstdarstellung untrennbar mit seinen Analysen der Physiognomie der Weimarer Kultur und des deutschen Faschismus verbunden sind. Benjamins Beschäftigung mit dem Körper wird als politischer Kampf sichtbar, der die Beziehungen zwischen dem Selbst, der Geschichte, dem Lesen und der Sprache beleuchtet. Benjamins Autobiographien, so zeigt Richter, negieren den Faschismus und seine Ideologie der Sinnbeständigkeit mit jeder Abkehr von einem wesentlichen körperlichen Selbst.
Leser, die sich für neuere deutsche Literatur und Kultur, Literatur- und Kulturtheorie, vergleichende Literaturwissenschaft, Weimarer Kultur und Faschismus interessieren, werden dieses Buch begrüßen.