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The Spirit of Roman Law
In diesem Buch geht es nicht um die Regeln oder Konzepte des römischen Rechts, sagt Alan Watson, sondern um die expliziten und impliziten Werte und Ansätze derjenigen, die das Recht schufen. Watson befasst sich mit der Zeit von den Zwölftafeln um 451 v. Chr. bis zum Ende der sogenannten klassischen Periode um 235 n. Chr. Bei der Erörterung der Fragen und Probleme, mit denen sich die römische juristische Intelligenz konfrontiert sah, stellt Watson das römische Recht auch als ein deutliches, wenn auch zugegebenermaßen extremes Beispiel für die enormen Auswirkungen des Rechts auf die Gesellschaft dar, und zwar angesichts des begrenzten Einflusses der Gesellschaft auf das Recht.
Das römische Privatrecht ist das am meisten bewunderte und nachgeahmte System des Privatrechts in der Welt, aber es entwickelte sich, so Watson, als ein Hobby von Gentlemen, wenn auch ein Hobby, das mit sozialem Status verbunden war. Die Juristen, die für die Entwicklung des Rechts am meisten verantwortlichen Privatpersonen, waren in erster Linie Politiker und (im Imperium) Bürokraten; ihre Beschäftigung mit dem Recht diente in erster Linie dazu, die Wertschätzung ihrer Standesgenossen zu gewinnen. Das ausschließlich patrizische Kollegium der Päpste erhielt Mitte des fünften Jahrhunderts v. Chr. das Monopol für die Auslegung des Privatrechts. Obwohl das Kollegium seine Exklusivität und sein Monopol verlieren sollte, blieb die Auslegung des Rechts ein Kennzeichen eines römischen Gentleman. Watson zufolge verschaffte jedoch nur die Auslegung des Rechts Prestige, nicht aber dessen Konzeptualisierung, Systematisierung oder Reform. Außerdem beschränkten sich die Juristen auf eine bestimmte Art der Argumentation: Argumente gegen ein Urteil durften nicht auf Moral, Gerechtigkeit, wirtschaftliches Wohlergehen oder auf das, was anderswo gebilligt wurde, gestützt werden. Kein Prätor (ein gewählter Beamter, der die Gerichte kontrollierte) ist für die Einführung von Reformen berühmt, betont Watson, und im Gegensatz zu einem Nicht-Juristen wie Cicero stellte kein Jurist Theorien über die Natur des Rechts auf. Ein starkes Merkmal des römischen Rechts ist seine relative Autonomie und Isolierung vom übrigen Leben.
Paradoxerweise war gerade diese Autonomie ein Schlüsselfaktor für die Rezeption des römischen Rechts - die Übernahme des an den Universitäten gelehrten römischen Rechts in das Recht der einzelnen Territorien Westeuropas.