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St. Matthew Passion
Die Matthäuspassion ist Hans Blumenbergs nachhaltige und erschütternde Meditation über den verzweifelten Schrei Jesu am Kreuz: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Warum geschah diese Verlassenheit, was bedeutet sie in der Logik der Evangelien, wie haben sie Gläubige und Nicht-Gläubige verstanden, und wie lebt sie in der Kunst fort? Mit seltener philologischer Schärfe und großem historischen Wissen entfaltet Blumenberg einen Kontext nach dem anderen, in dem dieser Schrei widerhallte, von der frühchristlichen Apologetik und den Häretikern bis hin zur Literatur und Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts.
Jahrhunderts. Blumenbergs Wegweiser durch diese unendliche Geschichte der göttlichen Verlassenheit ist Johann Sebastian Bachs monumentale Matthäuspassion, der parabolische Spiegel, der achtzehnhundert Jahre des Nachdenkens über das Schicksal des Gekreuzigten bündelte, und das einzige verfügbare Medium, das es uns nachchristlichen Zuhörern erlaubt, die Qualen derjenigen zu spüren, die die Ereignisse der Passion miterlebten.
Mit eingestreuten Verweisen auf Autoren wie Goethe, Rilke, Kafka, Freud und Benjamin sammelt Blumenberg Beweise, um die einzigartige Frage aufzuwerfen, die seiner Meinung nach die christliche Theologie nicht beantworten konnte: Wie kann ein allmächtiger Gott so beleidigt sein über seine Geschöpfe, dass er seinen eigenen Sohn opfern und verlassen muss?