
Singularity: Politics and Poetics
Ein einflussreicher Denker über das Konzept der Singularität und seine Auswirkungen auf Politik, Theologie, Wirtschaft, Psychoanalyse und Literatur
Für Leser, die sich mit kritischer Theorie, deutscher und vergleichender Literatur oder Medienwissenschaft auskennen, ist ein neues Buch von Samuel Weber unverzichtbare Lektüre. Singularität ist da keine Ausnahme. Es vereint zwei Jahrzehnte seiner Essays und konzentriert sich auf die überraschenden Implikationen des Singulären und seine historische Beziehung zum Individuum in Politik, Theologie, Wirtschaft, Psychoanalyse und Literatur. Obwohl die Singularität seit langem ein Schlüsselwort in der Literaturwissenschaft und Philosophie ist, wurde sie noch nie so erforscht wie in diesem Buch, das die Singularität als „aporetischen“ Begriff von der Individualität unterscheidet, mit der sie historisch eng verbunden bleibt.
Über das Singuläre zu sprechen oder zu schreiben ist problematisch, so Weber, da es, sobald darüber gesprochen wird, nicht mehr streng singulär ist. Walter Benjamin stellte fest, dass Singularität und Wiederholung einander bedingen. Dieser Ansatz liegt den Aufsätzen in Singularität zugrunde. Weber stellt fest, dass sich das Singuläre vom Individuellen dadurch unterscheidet, dass es nicht direkt wahrgenommen werden kann, sondern durch Gefühle erfahren wird, die von der Kognition abhängen, aber auch darüber hinausgehen. Diese Interdependenz von Kognition und Affekt spielt sich in der Politik, der Ökonomie und der Theologie ebenso wie in der Poetik ab. Sowohl die politische Praxis als auch die politische Theorie werden von dem Versuch beherrscht, die Singularität zu domestizieren, indem man sie dem Begriff der Individualität unterordnet. Weber vermutet, dass diese politische Tendenz sich auf das stützt, was er das „monotheologische Identitätsparadigma“ nennt, das von der Idee eines einzigartigen und exklusiven Schöpfergottes ausgeht.
Trotz der „säkularen“ Tendenzen, die üblicherweise mit der westlichen Moderne assoziiert werden, prägt dieses Paradigma auch heute noch politische und wirtschaftliche Praktiken, die oft selbstzerstörerische Tendenzen aufweisen. Im Gegensatz dazu liest Weber die literarischen Schriften von H lderlin, Nietzsche und Kafka als beispielhafte Praktiken, die Singularität nicht als Fiktion, sondern als Reibung ins Spiel bringen und die Selbstverständlichkeit etablierter Konventionen als Antworten auf Herausforderungen und Probleme entlarven, die sie oft lieber verdunkeln oder ignorieren.