Bewertung:

Rene Girards „Der Sündenbock“ ist eine tiefgreifende Untersuchung der Wurzeln von Gewalt und Sündenbock in der menschlichen Kultur und Religion. Das Buch bietet neue Interpretationen biblischer Erzählungen und Mythen und betont die systemische Natur von Gewalt und die mimetische Theorie des Begehrens. Während viele Leser Girards tiefe Einsichten und herausfordernde Ideen schätzen, haben die Komplexität seiner Schriften und einige kontroverse Argumente Kritik auf sich gezogen.
Vorteile:Die Leser loben Girard für seine zum Nachdenken anregende Analyse und ihre Auswirkungen auf das Verständnis von Gewalt und Kultur. Das Buch wird als kraftvoll, augenöffnend und zum Nachdenken anregend beschrieben. Viele fanden, dass es ihre Wertschätzung religiöser Texte, insbesondere des Neuen Testaments, steigerte, und hoben die tiefgreifenden Einsichten in menschliche Interaktion und gesellschaftliche Fragen hervor.
Nachteile:Kritiker merken an, dass der Text dicht und schwer verdaulich sein kann und oft ein sorgfältiges Nachdenken über komplexe Ideen erfordert. Einigen Rezensenten missfällt Girards Tendenz, das Sündenbockdenken als universelle Erklärung für alle menschlichen Interaktionen zu verallgemeinern, und sie finden seinen Stil pedantisch. Außerdem behaupten einige, dass er den historischen Kontext und die Intelligenz vergangener Kulturen unterbewertet, was die Leser frustriert.
(basierend auf 37 Leserbewertungen)
The Scapegoat
Ren Girard, der weithin als einer der profundesten Kritiker unserer Zeit gilt, hat in den Geistes- und Sozialwissenschaften eine starke Forschungslinie verfolgt. Seine Theorien, die von der französischen Presse als l'hypoth se girardienne bezeichnet wurden, haben eine interdisziplinäre, ja sogar internationale Kontroverse ausgelöst. In The Scapegoat (Der Sündenbock) wendet Girard seinen Ansatz auf Texte der Verfolgung an, also auf Dokumente, die Phänomene kollektiver Gewalt aus der Sicht des Verfolgers schildern - Dokumente wie das Urteil des Königs von Navarra des mittelalterlichen Dichters Guillaume de Machaut, das die Juden für den Schwarzen Tod verantwortlich macht und ihren Massenmord beschreibt.
Girard vergleicht Verfolgungstexte mit Mythen, vor allem mit dem Ödipusmythos, und findet auffallend ähnliche Themen und Strukturen. Könnten sich in Mythen regelmäßig Texte der Verfolgung verbergen? Girards Antwort liegt in der Untersuchung der christlichen Passion, die dasselbe zentrale Ereignis, dieselbe kollektive Gewalt darstellt, die in allen Mythen zu finden ist, die aber aus der Sicht des unschuldigen Opfers gelesen wird. Der Passionstext liefert das Interpretationsmodell, das es der westlichen Kultur ermöglicht hat, ihre eigene Gewalt zu entmystifizieren - eine Entmystifizierung, die Girard nun auf die Mythologie ausweitet.
Hinter Girards gewagter Texthypothese verbirgt sich eine mächtige Theorie der Geschichte und Kultur. Die Ablehnung aller Schuld durch Christus durchbricht den mythischen Kreislauf von Gewalt und Heiligem. Der Sündenbock wird zum Lamm Gottes; die törichte Genese der blutbefleckten Götzen und der falschen Götter des Aberglaubens, der Politik und der Ideologien wird enthüllt.
--John Yoder "Religion und Literatur".