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Veils
Dieses Buch, das eine Art historisches Ereignis darstellt, vereint lose "autobiografische" Texte von zwei der einflussreichsten französischen Intellektuellen unserer Zeit. "Savoir" von Helene Cixous ist ein kurzer, aber vielschichtiger Bericht über ihre Erfahrung, nach einer lebenslangen schweren Kurzsichtigkeit wieder sehen zu können, eine Erfahrung, die mit der unerwarteten Wendung der Trauer um das Verlorene endet.
Ihr literarischer Erfindungsreichtum macht sich die Koinzidenz der beiden Verben savoir (wissen) und voir (sehen) im Französischen zunutze. Jacques Derridas "Eine eigene Seidenraupe" reflektiert auf komplexe Weise eine Vielzahl autobiografischer, philosophischer und religiöser Motive - einschließlich seiner vielfältigen Antworten auf "Savoir". Die beiden Texte werden von sechs schönen und eindrucksvollen Zeichnungen begleitet, die mit dem Thema der Verhüllung von Körperteilen spielen.
Veils hebt die sexuelle Differenz zwischen zwei Homonymen auf: la voile (Segel) und le voile (Schleier). Eine ganze Geschichte der sexuellen Differenz wird hier umhüllt, manchmal verdeckt - in den Falten von Segeln und Schleiern und in den Wendungen, Reisen und Wiederkehr ihrer Metaphern und Metonymien.
Wie fremd sie einander auch erscheinen mögen, wie autonom sie auch sein mögen, die beiden Texte sind Teil eines gemeinsamen Genres: Autobiographie, Geständnis, Memoiren. Auch die Zukunft kommt ins Spiel: Indem sie sich einander öffnen, teilen die beiden Reden mit, was bald geschehen wird, die Unmittelbarkeit eines Ereignisses, das weder mit ihnen noch mit irgendetwas anderem übereinstimmt, eine Operation, die das Augenlicht wiederherstellt und das Wissen der vergangenen Nacht in Trauer stürzt, ein "Urteil", dessen bedrohliches Geheimnis unserem Wissen entzogen bleibt.