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Descartes's Grey Ontology: Cartesian Science and Aristotelian Thought in the Regulae
Der Leser, der sich dem Erstlingswerk von Descartes „cartesianisch“, d. h. erkenntnistheoretisch nähert, steht vor einer unüberwindbaren Schwierigkeit: Die Regulae ad Directionem Ingenii sind aus cartesianischer Sicht praktisch unverständlich. In der Tat scheint Descartes selbst das Werk verleugnet zu haben, nachdem er es beiseite gelegt hatte, um es nie zu vollenden. In dieser bahnbrechenden Studie, die erstmals 1975 zusammen mit einem 1976 veröffentlichten Index zu den Regulae und einer 1977 erschienenen neuen französischen Übersetzung veröffentlicht wurde, argumentiert Jean-Luc Marion, dass der Schlüssel zum Verständnis des Textes und der Entstehung des Cartesianismus darin liegt, ihn als Dialog mit Aristoteles zu lesen. Descartes' Regeln für die Lenkung des Geistes werden verständlich, wenn man die genaue Entsprechung zwischen ihren Themen und verschiedenen aristotelischen Texten über Wissenschaft und Sein feststellt.
Indem sie Descartes in die Geschichte des Diskurses über das Sein einordnet, hebt Marion die graue Ontologie hervor, die den Ursprüngen der kartesischen Wissenschaft zugrunde liegt. Grau, weil sie nie explizit gemacht wird; grau, weil ihre „Objekte“ die verarmten Schatten der aristotelischen „Dinge“ sind; grau, weil sie nie das volle Maß ihrer selbst annimmt. Innerhalb dieser Geschichte leiten die Regulae also eine neue Ära ein, in der Descartes' eigene Metaphysik und seine Vorstellung vom Göttlichen zutiefst ambivalent werden.
Indem Descartes' Graue Ontologie die Ursprünge und Voraussetzungen der cartesianischen Wissenschaft offenbart, zeigt sie uns Modernen uns selbst. Gleichzeitig ist es eine Einführung in die zeitgenössische cartesianische Wissenschaft in Frankreich, die seit ihrer Veröffentlichung wiederbelebt wurde, und es ist eine Einführung in das Denken eines der bedeutendsten französischen Philosophen, dessen Werk die Geschichte der Philosophie, der Phänomenologie und der Theologie miteinander verbindet. Eine Reihe von Marions Werken ist bereits ins Englische übersetzt worden, viele von ihnen als Einführung in sein Denken. Doch dieses Werk kartesianischer Gelehrsamkeit, Marions Doktorarbeit, bietet dem Leser einen Einblick in die Entstehungsgeschichte dieses Denkens. Die vorliegende Übersetzung gibt die dritte Auflage des französischen Originals wieder. Zwischen 1975 und der dritten Auflage entstand aus Marions Überlegungen zu den Konsequenzen von Descartes' grauer Ontologie Sur la théologie blanche de Descartes (erscheint demnächst bei St. Augustine's Press).