
Die Historiographen der Religionswissenschaft haben die Geschichte dieser Disziplin vor allem als Rationalisierung ideologischer, vor allem theologischer und phänomenologischer Vorstellungen geschrieben: erstens durch die Etablierung vergleichender, philologischer und soziologischer Methoden und zweitens durch die Forderung nach intentionaler Neutralität. Diese Interpretation führte dazu, dass wichtige Wurzeln in okkult-esoterischen Traditionen verdrängt wurden.
Dieser Prozess der „Läuterung“ (Latour) ist nicht mit dem Ursprung der akademischen Studien gleichzusetzen. De facto hat die Eliminierung der idealistischen Theorien Zeit gebraucht und ist erst später erfolgt. Ein Beispiel für die frühe Verstrickung ist die Tibetologie, in der viele Forscher und angesehene Lehrstuhlinhaber von theosophischen Ideen beeinflusst waren oder sogar Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft waren. Auch die Entstehung der Komparatistik kann nicht verstanden werden, ohne die perennialistischen Ideen esoterischer Provenienz zu berücksichtigen, die davon ausgehen, dass alle Religionen einen gemeinsamen Ursprung haben.
In dieser Perspektive muss nicht nur die Geschichte der Religionswissenschaft aufgearbeitet werden, sondern auch die teilweise Prägung der Religionswissenschaft durch diese Traditionen, insofern sie sich als Gegenmodell zu den okkulten Ideen verstand.