Bewertung:

Das Buch präsentiert Benjamins Tagebucheinträge während seiner Reise nach Moskau, die persönliche Einblicke in seine Erfahrungen in der Stadt, seine Beziehung zum Urbanismus und seine Kritik an der Kultur und dem sozialen Klima der Sowjetunion bieten. Außerdem wird seine romantische Beziehung zu Asja geschildert, was einen intimeren Einblick in Benjamins Charakter ermöglicht.
Vorteile:Die Tagebucheinträge sind wunderschön geschrieben und bieten einen klaren Bericht über Benjamins Reise. Sie beleuchten wichtige Aspekte des Städtebaus und bieten Kontext und Hintergrund für Benjamins späteres kritisches Werk. Die persönlichen Elemente aus seiner Romanze mit Asja fügen seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit eine menschliche Dimension hinzu.
Nachteile:Dem Text fehlt vielleicht die explizite politische Kritik, die sich manche Leser wünschen, da er sich mehr auf Indizien als auf direkte Kommentare konzentriert. Auch die Diskussionen über die sowjetischen Künste und die Gelehrsamkeit mögen nicht alle Leser ansprechen, so dass einige diese Teile auf der Suche nach persönlicheren Erzählungen überfliegen werden.
(basierend auf 1 Leserbewertungen)
Moscow Diary
Das Leben des deutsch-jüdischen Literaturkritikers und Philosophen Walter Benjamin (1892-1940) ist ein wahres Sinnbild für das Leben der Buchstaben im 20. Benjamins intellektuelle Odyssee gipfelte in seinem Selbstmord an der französisch-spanischen Grenze, verfolgt von den Nazis, aber lange bevor er in die Sowjetunion gereist war. Sein atemberaubender Bericht über diese Reise ist einzigartig unter Benjamins Schriften, weil er so offen und schonungslos mit seinen Motiven und seinem Gewissen ringt.
Der Hauptgrund für seine Reise war vielleicht seine Zuneigung zu Asja Lā.
Cis, einer lettischen Bolschewikin, die er 1924 in Capri kennengelernt hatte und die in den zwanziger und dreißiger Jahren einen wichtigen intellektuellen und erotischen Einfluss auf ihn ausüben sollte. Asja Lā.
Cis lebte in Moskau, wo sie sich als Journalistin durchschlug, und Benjamins Tagebuch ist auf einer Ebene der Bericht über seine masochistische Liebesaffäre mit diesem schwer fassbaren - und eher unsympathischen - Objekt der Begierde. Auf einer anderen Ebene ist es die Geschichte einer gescheiterten Romanze mit der russischen Revolution.
Denn Benjamin war nicht nur nach Russland gereist, um sich aus erster Hand über die sowjetische Gesellschaft zu informieren, sondern auch, um zu einer Entscheidung über den Beitritt zur Kommunistischen Partei zu gelangen. Benjamins Tagebuch zeigt das Dilemma eines Schriftstellers, der von den Verheißungen der Revolution verführt wurde, aber nicht bereit war, sich den menschlichen und institutionellen Schwächen der Revolution zu verschließen.
Das Moskauer Tagebuch ist mehr als eine Aufzeichnung ideologischer Ambivalenzen.
Sein literarischer Wert ist beträchtlich. Benjamin ist einer der großen Physiognomiker der Stadt im 20. Jahrhundert, und sein Porträt des winterlichen Moskaus steht neben seinen brillanten Beschreibungen von Berlin, Neapel, Marseille und Paris. Studenten dieser besonders interessanten Epoche werden Benjamins Augenzeugenbericht über Moskau außerordentlich aufschlussreich finden.