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Walter Benjamin: Selected Writings, 4: 1938-1940
"Jede Zeile, die wir heute zu veröffentlichen vermögen ... ist ein Sieg, der den Mächten der Finsternis abgerungen wurde". So schrieb Walter Benjamin im Januar 1940. Wenig später sollte er selbst diesen Mächten zum Opfer fallen, als er nach einem gescheiterten Versuch, vor den Nazis zu fliehen, Selbstmord beging. So eindringlich der Gedanke der Katastrophe in Benjamins letzten Lebensjahren auch ist, die in dieser Zeit errungenen "Siege" gehören zu den bemerkenswertesten Analysen der Entstehung der modernen Gesellschaft im zwanzigsten Jahrhundert. Die Essays über Charles Baudelaire sind das Destillat eines lebenslangen Nachdenkens über das Wesen der Moderne. Sie dokumentieren die Sinnkrise einer in den Abgrund schlitternden Zivilisation und zeugen gleichzeitig von Benjamins Glauben an das geschriebene Wort.
Der Band reicht von Studien über Baudelaire, Brecht und den Historiker Carl Jochmann bis hin zu Einschätzungen von Fotografie, Film und Poesie. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Kunst in einer turbulenten Zeit überleben und gedeihen kann. Benjamin entwirft hier eine Ethik für Kritiker und Künstler - einen zurückhaltenden, aber widerstandsfähigen Heroismus. Gleichzeitig legt er eine soziohistorische Darstellung darüber vor, wie sich die Kunst in einem Zeitalter der Gewalt und der Unterdrückung anpasst.
Bis zuletzt arbeitete Benjamin an seiner Theorie der Massenmedien, die in der endgültigen Fassung seines Aufsatzes "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technologischen Reproduzierbarkeit" gipfelte. Ebenfalls in diesem Band enthalten ist sein einflussreiches Werk "Über den Begriff der Geschichte", das er kurz vor seinem Tod fertigstellte. Das Buch ist bemerkenswert wegen seiner Untersuchung des Wesens der "Moderne" (vor allem bei Baudelaire), wegen seiner Ideen über die Transmogrifikation der Kunst und die radikalen Diskontinuitäten der Geschichte sowie wegen seiner Beispiele für humanes Leben und Denken inmitten der Barbarei. Die gesamte Sammlung ist ein beredtes Zeugnis für den unbeugsamen Geist der belagerten Menschheit.